Sechseinhalb Jahre Haft in Russland für US-Journalistin Kurmasheva

Kurz nach dem Wall Street Journal-Reporter Evan Gershkovich wurde auch die Journalistin Alsu Kurmasheva vom US-Sender Radio Freies Europa/Radio Liberty (RFE/RL) zu einer empfindlichen Haftstrafe in Russland verurteilt.

Ein russisches Gericht in Kasan hat die US-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva zu sechseinhalb Jahren Strafkolonie wegen angeblicher Falschmeldungen über die Armee verurteilt. Anlass für das Urteil war ein von ihr im November 2022 veröffentlichtes Buch mit dem Titel "Nein zum Krieg. 40 Geschichten von Russen, die sich gegen die Invasion der Ukraine wehren", wie die russische Oppositionsplattform meduza mitteilte.

Das Urteil sei bereits am 19. Juli in nicht öffentlicher Sitzung gesprochen worden, berichtete die Tageszeitung Wedomosti weiter unter Berufung auf Unterlagen des Obersten Gerichts von Tatarstan.

Beinahe gleichzeitig wurde in Moskau der US-Journalist Evan Gershkovich vom Wall Street Journal wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Die USA werfen der russischen Regierung vor, US-Bürger zu missbrauchen, um politische Ziele zu erreichen. Auch Gershkovichs Gerichtsverfahren war nicht öffentlich.

Verhöhnung der Gerechtigkeit

Kurmasheva, die für das tatarische Programm des US-Auslandssenders RFE/RL arbeitet, war seit Oktober inhaftiert. Stephen Capus, Leiter von RFE/RL, nannte den Prozess und die Verurteilung "eine Verhöhnung der Gerechtigkeit". Er fügte hinzu, dass "das einzig gerechte Ergebnis darin besteht, dass Alsu von ihren russischen Entführern sofort aus dem Gefängnis entlassen wird".

Kurmasheva verfügt sowohl über die US-amerikanische als auch die russische Staatsbürgerschaft. Die in Prag lebende 47-Jährige war nach Angaben ihres Senders im Mai 2023 nach Russland gereist, um ihre Mutter zu besuchen. Kurz vor ihrem geplanten Rückflug wurden demnach ihre Pässe beschlagnahmt. Russlands Justiz wirft ihr unter anderem vor, sich nicht als "ausländische Agentin" registriert zu haben.

Als ausländische Agenten werden in Russland Menschen, Medien und Organisationen gebrandmarkt, wenn sie aus einem anderen Land Geld erhalten. Sie sollen so als Spione stigmatisiert werden, die im Interesse anderer Staaten arbeiten. Insbesondere seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor mehr als zwei Jahren geht Russland hart gegen kritische Medien vor. Das Urteil wurde jedoch wegen falscher Berichterstattung über die russischen Streitkräfte in der Ukraine gesprochen. Die russische Justiz verfolgt jede vermeintliche Verunglimpfung der Einsätze mit aller Härte.

Gegründet wurde Radio Freies Europa 1949 zum Höhepunkt des Kalten Krieges. Der US-Kongress stellt das Jahresbudget von umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro bereit. Bis zum Umzug nach Prag 1995 sendete RFE/RL aus einem großen Gebäudekomplex am Englischen Garten in München.

Redaktion beck-aktuell, js, 23. Juli 2024 (dpa).