Wall-Street-Journal-Reporter Gershkovich in Russland verurteilt: 16 Jahre Haft
© ASSOCIATED PRESS | Dmitri Lovetsky

Ein russisches Gericht hat den US-Reporter Evan Gershkovich zu 16 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Er soll für die CIA spioniert haben. Laut russischen Beobachtern wird mit den USA über einen Gefangenenaustausch verhandelt.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat ein Gericht in der Stadt Jekaterinburg am Ural den Korrspondenten des Wall-Street-Journal wegen angeblicher Spionage verurteilt. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Gershkovich für den US-Geheimdienst CIA konspirativ Informationen über die Rüstungsfabrik Uralvagonzavod gesammelt habe.

Sowohl Gershkovich als auch die US-Regierung hatten die Vorwürfe stets als haltlos zurückgewiesen. Gershkovich habe in der Region lediglich als Journalist recherchiert. Nachdem der Reporter im März 2023 festgenommen worden war, hatte Washington erfolglos seine Freilassung gefordert.

Beobachter halten Gefangenenaustausch für möglich

Nach offiziellen russischen Angaben laufen im Hintergrund Verhandlungen mit den USA über einen Austausch von Gershkovich gegen einen russischen Inhaftierten. Russische Beobachter deuten die schnelle Verurteilung als möglichen Hinweis darauf, dass es darüber bald eine Einigung geben könnte. In der Regel muss nach russischer Justizpraxis ein Urteil vorliegen, damit es zu einem Austausch kommt.

Gershkovich hatte wie viele westliche Journalisten in Russland mit einer Akkreditierung des Moskauer Außenministeriums gearbeitet und recherchiert. Nach seiner Verhaftung hatte er die meiste Zeit seiner seit mehr als einem Jahr andauernden Untersuchungshaft in einem Moskauer Gefängnis verbracht. Er klagte immer wieder ohne Erfolg gegen die Verlängerung der Haft.

Der Deutsche Journalisten-Verband bezeichnete den Richterspruch als Unrechtsurteil der Kreml- Autokratie. "Es kam wie befürchtet: Ganz nach dem Willen der Führung hat das Gericht die unabhängigen und kritischen Recherchen von Evan Gershkovich für das Wall Street Journal als Spionage gebrandmarkt – ein Skandal", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster in einer Mitteilung. Er sieht das Urteil auch als Warnung des Kreml an das internationale Pressecorps in Russland, im eigenen Interesse nicht unter der Oberfläche zu graben.

Friedemann Kohler und Ulf Mauder, 19. Juli 2024 (ergänzt durch Material der dpa).