Russisches Gericht löst Menschenrechtszentrum von Memorial auf

Nur einen Tag nach der gerichtlich angeordneten Auflösung der international bekannten Menschenrechtsorganisation Memorial am 28.12.2021 gab ein russisches Gericht einem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, die Zentralstelle von Memorial samt Archiv in Moskau zu schließen. Die Organisation sprach von einer politischen Entscheidung und kündigte an, auch gegen dieses Urteil zu klagen, notfalls auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Internationales Auschwitz Komitee kritisiert russische Justiz

Das Internationale Auschwitz Komitee kritisierte das Vorgehen der Justiz. "Der Versuch russischer Behörden, die Zeit zurückzudrehen und die Idee und die Arbeit von Memorial zu zerstören wird nicht gelingen", sagte Vize-Präsident Christoph Heubner. Memorial sei über Russland hinaus zu einer moralischen Instanz geworden, die "die Verbrechen der stalinistischen Säuberungen aufgezeigt und vielen Opfern und ihren Angehörigen Hoffnung und Würde zurückgegeben hat".

Auflösung von Memorial hatte international Entsetzen ausgelöst

Am 28.12.2021 hatte Russlands oberstes Gericht die Auflösung der internationalen Menschenrechtsorganisation verfügt und ohne Angaben von Gründen einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen russische Gesetze stattgegeben. Memorial war bereits mehrfach zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sich die Organisation selbst nicht als ausländischer Agent bezeichnet. Das entsprechende umstrittene Gesetz sieht vor, dass Empfänger von Zahlungen aus dem Ausland als "Agenten" gekennzeichnet werden können. Das Urteil löste international Entsetzen aus. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, die Entscheidung "widerspricht internationalen Verpflichtungen zum Schutz grundlegender Bürgerrechte, die auch Russland eingegangen ist". Kritik kam aus den USA und von der EU.

Kulturstaatsministerin Roth: Massive Schläge gegen die russische Zivilgesellschaft

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sprach angesichts der Gerichtsentscheidungen von massiven Schlägen gegen die russische Zivilgesellschaft, deren Folgen noch gar nicht abzusehen seien. "Die Aufarbeitung der eigenen Geschichte ist für jede Gesellschaft eine Bereicherung", betonte Roth. "Nur mit dem Wissen um die Verbrechen der Vergangenheit lässt sich neues Unrecht in der Zukunft verhindern." Das Vorgehen gegen Memorial ist der mit Abstand schwerste Schlag gegen die russische Menschenrechtsbewegung. Die Organisation hat sich seit mehr als 30 Jahren international einen Namen mit der Aufarbeitung der kommunistischen Gewaltherrschaft in der Sowjetunion gemacht. Sie setzt sich zudem für politische Gefangene ein.

Redaktion beck-aktuell, 3. Januar 2022 (dpa).