DRB begrüßt Vermeidung der "Flucht in die Revisionsrücknahme"
Zu begrüßen sei lediglich, so der DRB, dass der BGH in die Lage versetzt werden solle, eine Leitentscheidung durch Beschluss auch dann zu treffen, wenn das Leitentscheidungsverfahren ohne ein mit inhaltlichen Gründen versehenes Urteil beendet wurde. Denn so könne der BGH als Revisionsgericht auch dann eine für eine Vielzahl anderer Verfahren maßgebliche Leitentscheidung treffen, wenn das Revisionsverfahren anders, also insbesondere durch Revisionsrücknahme, beendet wurde. Die "Flucht in die Revisionsrücknahme" zur Vermeidung einer für den Revisionsführer ungünstigen höchstrichterlichen Entscheidung werde so vermieden.
Instanzgerichte sollten Vorlagebefugnis erhalten
Kritisch sieht der DRB hingegen, dass die Instanzgerichte nicht in die Lage versetzt werden sollen, dem BGH ein Verfahren zur Leitentscheidung vorzulegen. Stattdessen solle der BGH eines der bei ihm bereits anhängigen Revisionsverfahren nach eigenem Ermessen selbst zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen können. Damit fielen Beschleunigungs- und Entlastungsfunktion eines solchen Verfahrens weitgehend fort. Die Instanzgerichte müssten weiterhin auch dann, wenn eine Vielzahl gleichzeitig anhängiger Verfahren von der Entscheidung der gleichen höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfragen abhängt, all diese Verfahren entscheiden, ohne vorab die Klärung durch den BGH herbeiführen und das Ruhen der übrigen Verfahren anordnen zu können. Auch den BGH dürfte diese Lösung nicht entlasten, meint der DRB. Denn es sei aufwändig, aus einer Vielzahl bereits anhängiger Revisionsverfahren das "ideale" Verfahren zum Leitentscheidungsverfahren zu bestimmen. Dies erfordere eine gründliche und vollständige Aufarbeitung der in Frage kommenden Verfahren.
Aussetzungsmöglichkeit für Folgeverfahren erweitern
Auch die vorgeschlagene Aussetzungsmöglichkeit für Folgeverfahren bei Zustimmung beider Parteien stellt in den Augen des Richterbundes keine Verbesserung dar. Diese Möglichkeit bestehe schon nach bisheriger Rechtslage (§ 251 S. 1 ZPO). Gerade in Massenverfahren sei aber in der Regel mindestens eine Partei aus finanziellen und prozesstaktischen Erwägungen mit einer Aussetzung des Verfahrens nicht einverstanden. Damit werde ein "Durchprozessieren" durch alle Instanzen erzwungen, was weitere potenzielle Klägerinnen und Kläger abschrecken solle. Sollen die Instanzgerichte bei der Bearbeitung von Massenverfahren tatsächlich spürbar entlastet werden, so müssten diese in die Lage versetzt werden, bei Anhängigkeit eines Leitentscheidungsverfahrens Folgeverfahren gerade auch ohne Zustimmung der Parteien auszusetzen.
Schriftliche Entscheidung auch ohne Zustimmung der Parteien
Darüber hinaus sollten die Instanzgerichte in die Lage versetzt werden, sämtliche dort anhängigen Folgeerfahren, deren Entscheidung einem Leitentscheidungsverfahren folgt, auch ohne Zustimmung der Parteien schriftlich zu entscheiden. Um dem Mündlichkeitsgrundsatz Geltung zu verschaffen, könnte dies so ausgestaltet werden, dass im Fall der schriftlichen Entscheidung durch das erstinstanzliche Gericht die Berufungsgerichte eine mündliche Verhandlung durchzuführen haben, da diese bei entsprechenden Verfahrensfehlern der erstinstanzlichen Gerichte nach Maßgabe des § 538 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit der Zurückverweisung haben. § 538 Abs. 2 S. 1 ZPO ZPO könnte auch dahingehend angepasst werden, dass in diesen Fällen die Zurückverweisung auch ohne Antrag der Partei möglich wäre. Für die Vielzahl der von den erstinstanzlichen Gerichten zu Stellungnahme entscheidenden Massenverfahren wäre bei diesem Konzept eine erhebliche Entlastungswirkung zu verzeichnen.