Regierung plant Corona-Impfstrategie: Verordnung oder Gesetz?

Bald sollen die ersten Impfungen gegen das Coronavirus starten. Doch wer kommt zuerst: Ärzte, Pfleger, alte Menschen? Die Bundesregierung will dies per Verordnung regeln. Experten raten hingegen zu einem förmlichen Gesetz. Auch nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages müssen zumindest die wesentlichen Kriterien für die Impfstoff-Verteilung durch ein formelles Gesetz geregelt werden.

Wissenschaftlicher Dienst fordert formelles Gesetz

In einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: "Der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu Impfstoffen eines förmlichen Gesetzes bedarf, das zumindest die wesentlichen Kriterien für die Verteilung eines knappen Impfstoffes regelt, ist zuzustimmen." Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass insbesondere die Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme dafür entscheidend sei, ob diese durch ein formelles Gesetz zu regeln sei.

Priorisierung von "hoher genereller Grundrechtsrelevanz"

Die Möglichkeit, Impfschutz gegen den Auslöser der Krankheit Covid-19 erlangen zu können, sei für die gesamte Bevölkerung von enormer Relevanz, da alle gleichermaßen von der Ansteckungsgefahr und den daraus folgenden Einschränkungen im Alltag betroffen sind. Die Entscheidung, welche Bevölkerungsgruppen bei der Verteilung zunächst zu bevorzugen sind, weise somit "eine hohe generelle Grundrechtsrelevanz auf", heißt es in der Ausarbeitung, die der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae angefordert hatte.

FDP-Fraktionsvize: Bundestag muss beteiligt werden

Der Bundestag dürfe hier "nicht wieder nur zum Zuschauer degradiert werden", mahnte Thomae. In einer Demokratie müsse das Parlament über die wesentlichen Fragen entscheiden. "Mit der Zuteilung des Impfstoffs verteilen wir im wahrsten Sinne des Wortes Lebenschancen", sagte Thomae. Deshalb sei es nicht zu akzeptieren, dass die Regierung und allen voran Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Debatte dazu im Bundestag scheue.

Empfehlungen: Risikogruppen sollen zuerst geimpft werden

Nach der Zulassung eines Corona-Impfstoffs sollen in Deutschland zuerst Bevölkerungsgruppen geimpft werden, die ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe haben. Denn die Anzahl der Dosen wird wegen Produktionsengpässen nicht sofort für die gesamte Bevölkerung reichen. Der Deutsche Ethikrat, die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina und die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) haben deshalb Anfang November im Auftrag der Bundesregierung Empfehlungen abgegeben, wer sofort immunisiert werden soll. Das sollen alte Menschen sein, vor allem in Pflegeheimen, dazu Menschen mit Vorerkrankungen sowie Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Ebenso sollen Menschen in Schlüsselstellungen in der Gesellschaft und für die öffentliche Ordnung bevorzugt geimpft werden, also zum Beispiel Mitarbeiter von Gesundheitsämtern und Sicherheitsbehörden, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher. Auch Menschen, die etwa in Heimen für Obdachlose oder Asylbewerber sehr beengt untergebracht seien, sollen dazuzählen. Zwischen privat und gesetzlich Versicherten soll dabei nicht unterschieden werden. Auch Menschen ohne Versicherungsschutz sollen Anspruch auf Impfung haben.

Empfehlungen sollen bis Ende des Jahres konkretisiert werden

Noch seien genaue Feststellungen zur Priorisierung aber nicht getroffen, also nicht alle bevorzugten Gruppen genau identifiziert, hieß es. Denn es fehlten noch Daten. Bis spätestens Ende des Jahres sollen die Empfehlungen konkret werden. Der Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine "Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus Sars-CoV-2" wird derzeit noch innerhalb der Regierung abgestimmt.

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2020 (dpa).

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