Regierung gegen bedingungsloses Corona-Grundeinkommen

Ein bedingungsloses Grundeinkommen für die Dauer der Corona-Krise ist aus Sicht der Bundesregierung nicht geeignet, um eventuelle Lücken bei den Corona-Hilfen zu stopfen. Die Regierung überprüfe permanent die Zielgenauigkeit der Corona-Hilfsmaßnahmen und steuere bei Bedarf nach, erklärte Gerald Becker-Neetz vom Bundesarbeitsministerium am 26.10.2020  in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses. 

Petentin: Getroffene Hilfsmaßnahmen nicht zielgenau

Nach Meinung der Petentin Susanne Wiest muss hingegen angesichts der Corona-Krise "kurzfristig und zeitlich begrenzt, aber solange wie notwendig" ein bedingungsloses Grundeinkommen gewährt werden. Ein Ende der Krise, "die für viele Menschen auch zu einer schweren wirtschaftlichen Existenzkrise geworden ist", sei nicht in Sicht, sagte Wiest vor den Abgeordneten. Die getroffenen Hilfsmaßnahmen seien nicht zielgenau, ihre Beantragung werde in der Bevölkerung als kompliziert, bürokratisch und zeitaufwendig wahrgenommen, so die Kritik der Petentin. "Oft kommt Hilfe nicht dort an, wo sie gebraucht wird. Viele Menschen fallen komplett durch das Raster. Gerade in der jetzigen komplizierten Situation bräuchten alle Menschen eine sichere finanzielle Basis, die uns trägt".

Modell eines Netto-Grundeinkommens sofort umsetzbar

Der die Petentin begleitende Wirtschaftswissenschaftler Bernhard Neumärker von der Universität Freiburg erläuterte sein Modell eines Netto-Grundeinkommens, das seiner Aussage nach "sofort umsetzbar ist". Jeder Bürger würde demnach monatlich 550 Euro erhalten, "Kinder etwas weniger". Damit seien alle Menschen abgesichert, so Neumärker. Das Modell finanziere sich aus jetzt schon gewährten Mitteln, die lediglich umgeschichtet werden müssten, sagte er. Eine Reform des Renten- und Gesundheitssystems sei nicht nötig.

Weg vom Misstrauen hin zum Vertrauen

Auf die Frage, warum alle Menschen, statt nur der wirklich bedürftigen, von einem bedingungslosen Grundeinkommen profitieren sollten, sagte die Petentin: "Die Bedarfsprüfungen und Regeln für die Zugangsberechtigung schaffen eine große Unsicherheit. Das wollen wir in einer Demokratie nicht. Da gehören alle dazu." Wer kein Bedarf für ein solches Grundeinkommen habe, könne dieses "ganz entspannt zurück spenden", sagte Wiest. Dies wäre auch ein Wechsel vom Misstrauen, mit dem den Bürgern oft begegnet werde, "hin zu Vertrauen".

Auswirkungen auf die bisherige Erwerbstätigkeit

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Anette Kramme (SPD) antwortete auf die Frage, ob bei Gewährung eines bedingungslosen Grundeinkommens die Erwerbtätigkeit zurückgeht, dass sie davon ausgehe, dass viele Menschen ihre Arbeitsbedingungen als unangenehm empfinden und andere Dinge lieber täten. Insofern sei davon auszugehen, dass die Erwerbstätigkeit zurückgehen werde.

Redaktion beck-aktuell, 27. Oktober 2020.