Re­fe­ren­ten­ent­wurf für Lie­fer­ket­ten­ge­setz vor­ge­stellt

Bu­ß­gel­der und ein Kla­ge­weg für Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen: Mit einem Ge­setz will die Bun­des­re­gie­rung grö­ße­re deut­sche Un­ter­neh­men ab 2023 welt­weit zur Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten und Um­welt­vor­ga­ben in ihren Lie­fer­ket­ten zwin­gen. Ein Re­fe­ren­ten­ent­wurf der Mi­nis­te­ri­en für Ar­beit, Wirt­schaft und Ent­wick­lung soll Mitte März 2021 vom Ka­bi­nett ver­ab­schie­det und noch in die­ser Le­gis­la­tur­pe­ri­ode be­schlos­sen wer­den. Eine zi­vi­le Haf­tung für Fir­men gebe es nicht, er­klär­te Wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Alt­mai­er (CSU).

Ab­ge­stuf­te Ver­ant­wor­tung der Fir­men

Die Fir­men sol­len nach dem Ent­wurf ihre ge­sam­te Lie­fer­ket­te im Blick haben, aber ab­ge­stuft ver­ant­wort­lich sein. Wird einer Firma ein Miss­stand in der Lie­fer­ket­te be­kannt, soll sie ver­pflich­tet wer­den, für Ab­hil­fe zu sor­gen. Die zu­stän­di­gen Be­hör­den über­wach­ten dies, be­kä­men ein "ro­bus­tes Man­dat" und könn­ten vor Ort Kon­trol­len vor­neh­men und mit Zwangs- und Bu­ß­gel­dern Stra­fen ver­hän­gen, so Ar­beits­mi­nis­ter Hu­ber­tus Heil (SPD). "Wir reden hier nicht von Knöll­chen, son­dern von dem, was an­ge­mes­sen ist", sagte er. Un­ter­neh­men, gegen die ein hohes Bu­ß­geld ver­hängt wurde, könn­ten bis zu drei Jahre von öf­fent­li­chen Aus­schrei­bun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den. "Das Lie­fer­ket­ten­ge­setz ist ein Ge­setz mit Zäh­nen." Zudem sol­len Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und Ge­werk­schaf­ten künf­tig die Mög­lich­keit be­kom­men, Be­trof­fe­ne vor deut­schen Ge­richt zu ver­tre­ten, wenn es Ver­stö­ße gegen Stan­dards in Lie­fer­ket­ten gibt und der Be­trof­fe­ne zu­stimmt. Bis­her konn­ten Ge­schä­dig­te selbst kla­gen, was aber in der Pra­xis oft an den Le­bens­um­stän­den schei­ter­te.

Lie­fer­ket­ten­ge­setz "his­to­ri­scher Durch­bruch"

Heil sprach am 12.02.2021 bei einer ge­mein­sa­men Pres­se­kon­fe­renz mit Ent­wick­lungs­mi­nis­ter Gerd Mül­ler (CSU) und Wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Alt­mai­er (CDU) von einem "his­to­ri­schen Durch­bruch". Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lam­brecht (SPD) er­klär­te zur Ko­ali­ti­ons­ei­ni­gung zum Lie­fer­ket­ten­ge­setz: "Für mich als Jus­tiz­mi­nis­te­rin ist klar: Men­schen­rech­te sind nicht ver­han­del­bar. Sie ver­lan­gen Ach­tung und Schutz - und zwar welt­weit." Heil sprach von har­ten Ver­hand­lun­gen. "Es geht um die Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten in glo­ba­len Lie­fer­ket­ten und damit men­schen­wür­di­ge Ar­beit." Das Ge­setz sei ein Si­gnal an jene Fir­men, die bis­her Men­schen­rech­te gegen ihre wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen ab­ge­wo­gen haben. "Es gibt kein Ge­setz auf der Welt und in Eu­ro­pa, das so am­bi­tio­niert ist wie das deut­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz", sagte Heil.

Wir­kung über Deutsch­land hin­aus er­war­tet 

Ent­wick­lungs­mi­nis­ter Mül­ler, der wie Heil zu den An­trei­bern des Vor­ha­bens zählt, er­war­tet Wir­kung über Deutsch­land hin­aus. Dabei könne es in der Folge auch um Hun­ger­löh­ne gehen, die in ei­ni­gen Staa­ten ge­zahlt wer­den. "Also ein Euro oder ein Dol­lar am Tag für zwölf Stun­den ist si­cher zu wenig. Das ist die Fort­schrei­bung der Ko­lo­ni­al­zeit in an­de­ren Um­stän­den. Ich hab mir das an­ge­schaut", sagte Ent­wick­lungs­mi­nis­ter Gerd Mül­ler (CSU). Er er­war­te Dis­kus­sio­nen über den Zu­sam­men­hang zwi­schen Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­sen und dem Preis­ni­veau in Deutsch­land. "Was ist men­schen­wür­dig? Und des­halb sage ich, es wird eine große De­bat­te geben: Über die Um­set­zung des Rechts­tex­tes hin­aus das Thema Glo­ba­li­sie­rung ge­recht zu ge­stal­ten." 

Wirt­schafts­ver­bän­de hat­ten im Vor­feld vor Wett­be­werbs­nach­tei­len ge­warnt

Alt­mai­er hatte stets vor zu­sätz­li­chen Be­las­tun­gen für die deut­sche Wirt­schaft ge­warnt. Er sprach nun von einem ver­nünf­ti­gen Kom­pro­miss. Eine zi­vi­le Haf­tung für Fir­men gebe es nicht. Dies hat­ten Wirt­schafts­ver­bän­de be­fürch­tet und vor Wett­be­werbs­nach­tei­len auf in­ter­na­tio­na­len Märk­ten ge­warnt. "Na­tür­lich ist es mir als Wirt­schafts­mi­nis­ter auch wich­tig, dass die deut­sche Wirt­schaft am Ende stär­ker und nicht schwä­cher da­steht", sagte Alt­mai­er. Auch müsse ver­hin­dert wer­den, dass sich deut­sche Un­ter­neh­men aus der Pro­duk­ti­on in ei­ni­gen Staa­ten zu­rück­zie­hen, weil sie Sank­tio­nen fürch­ten. 

Keine Gel­tung für mit­tel­stän­di­sche Un­ter­neh­men 

Damit sich deut­sche Fir­men auf die neuen Vor­ga­ben ein­stel­len kön­nen, soll das Ge­setz vom 01.01.2023 an gel­ten, und zwar für Fir­men mit mehr als 3.000 Mit­ar­bei­tern - von An­fang 2024 an dann auch für Un­ter­neh­men mit über 1000 Mit­ar­bei­tern. Alt­mai­er be­ton­te, damit fie­len mit­tel­stän­di­sche Un­ter­neh­men nicht unter den An­wen­dungs­be­reich des Ge­set­zes.

Kri­ti­sche Stim­men aus der Wirt­schaft, Um­welt­ver­bän­de sehen nur " Mi­ni­mal­kon­sens"

Auf den ers­ten Blick sei die re­gie­rungs­in­ter­ne Ei­ni­gung zum Lie­fer­ket­ten­ge­setz ein deut­li­cher Fort­schritt im Ver­gleich zu den bis­he­ri­gen, welt­frem­den Vor­stel­lun­gen aus dem Ar­beits- und Ent­wick­lungs­mi­nis­te­ri­um, er­klär­te Ge­samt­me­tall-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Oli­ver Zan­der. "Damit ist die Gren­ze des Mach­ba­ren für die Un­ter­neh­men aber ab­so­lut er­reicht, viel­leicht auch teil­wei­se über­schrit­ten." Alt­mai­er habe "sich er­folg­reich gegen die schlimms­ten und sinn­lo­ses­ten Vor­stel­lun­gen ge­wehrt und Durch­set­zungs­kraft be­wie­sen". Wich­tig sei, dass Haf­tungs­re­geln ver­hin­dert wur­den und dass Un­ter­neh­men nur für das erste Glied ihrer Lie­fer­ket­te di­rekt ver­ant­wort­lich sind. Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Ge­samt­ver­ban­des der deut­schen Tex­til- und Mo­de­in­dus­trie, Uwe Ma­zu­ra, kün­dig­te an, die Be­ra­tun­gen im Bun­des­tag wür­den mit gro­ßer Auf­merk­sam­keit ver­folgt und kri­tisch be­glei­tet. "Be­mer­kens­wert ist, wie viele Ka­pa­zi­tä­ten die Bun­des­re­gie­rung für ein neues Ge­setz hat, wäh­rend un­se­re Un­ter­neh­men seit Mo­na­ten auf Co­ro­na-Hil­fen war­ten und wert­hal­ti­ge Mode in den ge­schlos­se­nen Ge­schäf­ten nicht ver­kauft wer­den kann", teil­te er mit. Da­ge­gen spra­chen Um­welt­ver­bän­de in einer ge­mein­sa­men Er­klä­rung von einem "Mi­ni­mal­kon­sens", der für deut­sche Fir­men nur wenig än­de­re.

Andreas Hoenig, Jörg Ratzsch und Carsten Hoffmann, 12. Februar 2021 (dpa).

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