Rechtsextremismus: Behörden wollen Internet stärker beobachten

Die Bundesbehörden wollen rechte Hetzer und Extremisten mit mehr Personal und neuen Methoden unter Druck setzen. Dazu gehören eine stärkere Beobachtung im Internet, weitere Vereinsverbote, aber auch Maßnahmen gegen Kampfsport-Festivals und Rechtsrock-Konzerte, über die Extremisten Geld einnehmen und neue Kontakte knüpfen. Im Rechtsextremismus seien "neue Anlaufpunkte" und "neue Akteure" aufgetaucht – "Priorität und Methodik" müssten daher angepasst werden, heißt es aus den Sicherheitsbehörden.

Internet zunehmend Kommunikationsraum für Rechtsextremisten

“Man muss sich natürlich fragen, was sind die Wurzeln, was sind die Ursachen solcher rechtsextremen Ideologie, Antisemitismus, woher kommt das?“, sagt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang. Hier spielten auch Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten, wie etwa die Identitäre Bewegung, eine Rolle, von denen “die ideologischen Vorgaben“ für Menschen wie den Attentäter von Halle kämen. Soziale Netzwerke, Gaming-Plattformen und Messengerdienstes würden von Rechtsextremisten zunehmend als Kommunikationsräume zur Verbreitung ihrer Feindbilder und Verbrechen missbraucht, führt der Verfassungsschutz-Chef weiter aus. Das sei auch bei den Ermittlungen zu dem schrecklichen Anschlag in Halle am 09.10.2019 deutlich geworden.

Zahl der sogenannten Gefährder im rechten Spektrum steigt

Die Polizei stuft im rechten Spektrum aktuell bundesweit 43 Menschen als sogenannte Gefährder ein. Zum Vergleich: Ende 2016 gab es 22 Gefährder. Mit der geplanten Einführung eines standardisierten Einstufungsverfahrens für potenziell gefährliche Rechtsextremisten dürfte die Zahl wohl noch weiter steigen. Als Gefährder bezeichnet man im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Menschen, denen man schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut. Dass das Frühwarnsystem der Behörden im Rechtsextremismus nicht gut funktioniert, hat auch der Fall des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gezeigt. Er war im Juni ermordet worden. Stephan E., der den Behörden vor Jahren als Rechtsextremist aufgefallen war, sitzt in diesem Fall als Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft.

BKA-Chef Münch: Rechte Gewalt Gefahr für die Demokratie

Das Bundeskriminalamt (BKA) beobachtet schon seit einiger Zeit eine Zunahme rechter Gewalt- und Propagandadelikte. BKA-Chef Holger Münch sagt: “Die Opfer sind Ausländer, Juden, ihre politischen Gegner, aber auch Mandatsträger oder Befürworter einer liberalen Flüchtlingspolitik.“ Durch Bedrohungen im Internet und Gewalttaten entstehe ein “Klima der Angst“. Das führe auch dazu, dass ehrenamtliches Engagement schwinde “und Ämter vielleicht nicht mehr besetzt werden“. Dies sei eine Gefahr für die Demokratie.

BKA will Zentralstelle zur Bekämpfung der Hasskrimininalität einrichten

Seine Behörde wolle deshalb eine Zentralstelle zur Bekämpfung der Hasskrimininalität einrichten, so Münch weiter. Provider sollten aus seiner Sicht verpflichtet werden, der Polizei strafbare Inhalte zu melden, die sie nach der heutigen Gesetzgebung bereits löschen müssen. Gewaltaufrufe, Morddrohungen und andere Entgleisungen im Netz nicht einfach hinzunehmen sei wichtig, betonen die Sicherheitsbehörden. Auch da gewaltbereite Rechtsextremisten ansonsten den falschen Eindruck gewinnen könnten, “dass ein Teil der bürgerlichen Mitte hinter ihnen steht“. Der Verfassungsschutz will für die Intensivierung seiner Aktivitäten im Bereich des Rechtsextremismus 300 neue Stellen. Das BKA hat 440 zusätzliche Planstellen beantragt. Da das Geld dafür im Haushalt bislang nicht vorgesehen ist, hat hier allerdings das Parlament noch ein Wort mitzureden.

Redaktion beck-aktuell, Anne-Beatrice Clasmann, 15. Oktober 2019 (dpa).