Minister: "Schande für die Polizei"
Es habe am 16.09.2020 Razzien gegen 14 Polizistinnen und Polizisten an 34 Polizeidienststellen und Privatwohnungen in Duisburg, Essen, Moers, Mülheim und Oberhausen gegeben. Der Minister sprach bei der Pressekonferenz von "einer Schande für die Polizei". In den Gruppen seien 126 Bilddateien verteilt worden, darunter Fotos von Adolf Hitler, aber auch zum Beispiel die fiktive Darstellung eines Flüchtlings in einer Gaskammer. Eine der Chatgruppen sei wahrscheinlich bereits im Jahr 2013 gegründet worden, spätestens im Mai 2015.
Nicht erste Chatgruppe, die bekannt wird
Deutschlandweit gab es bereits ähnliche Fälle wie in Nordrhein-Westfalen. So stieß man in Hessen bei den Ermittlungen um Drohschreiben mit dem Absender "NSU 2.0" bei der Polizei auf eine Chatgruppe, die rechtsextreme Inhalte austauschte. In Bayern wurde 2019 eine Chatgruppe bekannt, in der unter anderem eine Hetzbotschaft gegen Muslime geteilt wurde. In Baden-Württemberg wurden im Februar 2020 Ermittlungen gegen sieben Polizeischüler publik, die in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe ebenfalls rechtsextreme Nachrichten ausgetauscht haben sollen.
Disziplinarverfügungen zugestellt
Im aktuellen Fall wurden parallel zu den Razzien bei den 14 Polizisten den übrigen 15 beschuldigten Beamten laut Reul Disziplinarverfügungen zugestellt. Reul kündigte eine Sonderinspektion für das vor allem betroffene Polizeipräsidium Essen an. Zudem werde er einen Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der nordrhein-westfälischen Polizei berufen. Er werde alles in seiner Macht Stehende dafür tun, "diese Menschen aus dem Dienst zu entfernen", sagte Reul. Laut Michael Frücht, Leiter des Landesamtes für Fortbildung der Polizei in Nordrhein-Westfalen (LAFP), wurden alle 29 Beamten vorläufig suspendiert.
Beteiligte fast alle einmal in derselben Dienstgruppe tätig
Die Hälfte hatte den Ermittlern zufolge aktiv Bilder eingestellt, die andere Hälfte habe mitgelesen. Reul bestätigte, dass unter den 29 Beamten auch solche mit Migrationshintergrund seien. Die allermeisten Beteiligten hätten irgendwann einmal in derselben Dienstgruppe in der zum Polizeipräsidium Essen gehörenden Polizeiwache in Mülheim an der Ruhr gearbeitet. Heute arbeite einer der Beamten im Landeskriminalamt, einer im LAFP, zwei seien im Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD).
Weitere Fälle zu erwarten
Reul geht von weiteren Fällen aus. Man habe bisher erst ein Handy gehabt, über das man an die jetzt Beschuldigten herangekommen sei. Bei den Razzien am Morgen seien weitere Handys beschlagnahmt worden. Wahrscheinlich werde man durch deren Auswertung Hinweise auf weitere Chat-Teilnehmer finden. Das Ursprungs-Handy gehört nach Angaben der Ermittler einem 32-jährigen Beamten der Polizei Essen privat. Er wurde eigentlich verdächtigt, Dienstgeheimnisse an einen Journalisten weitergegeben zu haben. Bei der Auswertung seien dann die rechtsextremen Fotos gefunden worden.
Konsequenzen für alle Kollegen
Der Fall habe außerhalb seines Vorstellungsvermögens gelegen, sagte der Essener Polizeipräsident Frank Richter am 16.09.2020. Er betonte, dass nur private Geräte für die Chats benutzt worden seien. Es habe keine Auffälligkeiten gegeben, die zu einem Anfangsverdacht hätten führen können, so Richter. Dass keiner der beteiligten Beamten sich dem Dienstherren gegenüber gemeldet habe, erschüttere ihn. Dass sich einige schändlich verhalten hätten, habe nun Folgen für alle Kollegen, die anständig ihren Dienst verrichteten, sagte Richter.
Polizei-Gewerkschaft zeigt sich bestürzt
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte bestürzt auf die Enthüllungen. "Die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört zur DNA der Polizei", sagte der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Michael Maatz. Dass es Beamte gebe, die in Chatgruppen rechtsradikale, fremdenfeindliche Inhalte teilten, sei unerträglich. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) betonte, dass die Polizei auch ein Spiegel der Gesellschaft sei – "der absolute Großteil der Kolleginnen und Kollegen lebt und verkörpert diese Werte."