Experten äußern sich zur Umsetzung der EU-Verbandsklage-Richtlinie

Der Regierungsentwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklage-Richtlinie ist von vielen Experten in der Anhörung im Rechtsausschuss begrüßt worden. In Detailfragen wurde jedoch noch Nachbesserungsbedarf gesehen. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass Verbände künftig für Verbraucher mit einer Abhilfeklage direkt Ansprüche gegenüber Unternehmen geltend machen können. Dazu soll eine neue zivilrechtliche Klageart eingeführt werden.

Klarstellungs- und Überarbeitungsbedarf in Detailfragen

Das Gros der Sachverständigen begrüßte den Gesetzentwurf als ausgewogene Lösung, sah aber dennoch Klarstellungs- und Überarbeitungsbedarf in zahlreichen Detailfragen. So sollten nach Ansicht einiger Expertinnen und Experten Klageerhebung, Prozessführung und Vollstreckung für den klagenden Verband nicht unnötig schwer gemacht werden. Schwächen enthalte das Konzept insbesondere durch Einengungen beim Kreis der Klagebefugten. Der Klägerradius sollte dem des Unterlassungsklagegesetzes entsprechen.

Klageberechtigung qualifizierter Verbraucherverbände zu weitreichend?

Andererseits wurde kritisiert, dass die Regelung zur Klageberechtigung qualifizierter Verbraucherverbände über die bisherige Regelung zur Musterfeststellungsklage hinausgehe und damit die Gefahr der anlassbezogenen Spontangründung eines Verbraucherverbands bestehe, der nicht im Verbrauchersinne handele. Grundsätzlich bestehe mit der zulässigen Drittfinanzierung die Gefahr von Fehlanreizen. Problematisch sei zudem das Fehlen von Verbraucheranhörungsrechten.

Experten uneins beim richtigen Opt-in-Zeitpunkt

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) monierte, dass das Potenzial der Verbandsklage nicht ausgeschöpft werde. Eine zentrale Frage betreffe die Zeitspanne, in der sich Betroffene zur Verbandsklage anmelden können. Ziel müsse es sein, durch ein spätes Opt-in möglichst viele Geschädigte zu erreichen und sie zu ermutigen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Ein anderer Experte und der Vertreter der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sprachen sich demgegenüber für ein frühes Opt-in aus, um die Tragweite des Verfahrens frühzeitig erkennen zu können.

Kritik von DIHK und NRV

Die DIHK bemängelt außerdem, dass die Interessen der Unternehmen an einem fairen Verfahren nur teilweise berücksichtigen würden. Ziel der Umsetzung müsse es sein, geschädigten Verbraucherinnen und Verbrauchern Möglichkeiten einer Kompensation zu gewähren, ohne dass die Ausgestaltung der neuen Klageverfahren Missbrauch ermöglicht. Die Neue Richtervereinigung (NRV) sieht das Hauptziel der EU-Verbandsklage-Richtlinie, Verbraucherrechtsverletzungen mit einem großen Kreis Betroffener zu bereinigen, im Entwurf nicht umgesetzt. In einer Gesamtbetrachtung stelle sich die Lösung so dar, dass lediglich ein Verfahren konstruiert werde, das auf die zivilprozessuale Bewältigung eines Gerichtsverfahrens fokussiert ist.

Entlastung der Justiz von Massenklagen fraglich

Die Münchener Rechtsexpertin Beate Gsell hält das im Regierungsentwurf vorgeschlagene Abhilfeklagemodell weder für Verbraucherinnen und Verbraucher noch für Unternehmer hinreichend attraktiv. Es sei auch nicht zu erwarten, dass es nennenswert zur Entlastung der Justiz von Massenklagen beitrage. Ferner seien administrative Hürden für die klagenden Verbände vorgesehen, die kaum zu rechtfertigen seien, und es gebe funktionale Unzulänglichkeiten im Entwurf. Diese ließen befürchten, dass Abhilfeklage- und Umsetzungsverfahren keinen nennenswerten Beitrag zur effizienten Gesamtbereinigung von Massenschäden werden leisten können.

Hintergrund: Neues Verbandsklagerecht

Zur Verankerung der Abhilfeklage im deutschen Recht sieht der Entwurf des Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes (VRUG) ein neues Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) vor. In diesem sollen neben den Regelungen zur Abhilfeklage auch die bestehenden Regelungen zur Musterfeststellungsklage integriert werden. Wie es in dem Entwurf heißt, können mit der neuen Verbandsklage auf Abhilfen "klageberechtigte Stellen nunmehr auch gegen eine Unternehmerin oder einen Unternehmer gerichtete Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern auf Leistung geltend machen. Es können nicht nur Zahlungsanträge gestellt werden, sondern auch Anträge, mit denen die Verurteilung zu einer anderen Leistung angestrebt wird. Der Abhilfeantrag kann auch auf Leistung zugunsten nicht namentlich bestimmter Verbraucherinnen und Verbraucher gerichtet sein". Durch Änderungen insbesondere im Unterlassungsklagengesetz und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sollen die schon bestehenden Regelungen über Unterlassungsklagen durch Verbände an die Vorgaben der Richtlinie angepasst werden.

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2023.