Rechtsausschuss: Virtuelle WEG-Versammlungen spalten die Experten
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Ob Wohnungseigentümerversammlungen künftig auch ausschließlich virtuell stattfinden können, wenn 75% der Eigentümer dies so wollen, ist unter Sachverständigen umstritten. Das wurde in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Montagabend deutlich. Einiger war man sich beim Thema Balkonkraftwerke.

Grundlage der Diskussion im Rechtsausschuss ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der unter anderem Regelungen zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen und zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten (Balkonkraftwerke) vorsieht, etwa indem die Stromerzeugung durch Balkonkraftwerke in den Katalog der privilegierten Maßnahmen aufgenommen wird.

Contra: Experten sehen gleichberechtigte Teilhabe nicht gewährleistet

Oliver Elzer, Richter am Anwaltsgerichtshof in Berlin kritisiert virtuelle Versammlungen. Viele Wohnungseigentümer würden dadurch von der Verwaltung ihres wichtigsten Wirtschaftsgutes ferngehalten, sagte er. Für den damit verbundenen großen Demokratieverlust sei kein ausreichender Grund erkennbar.

Auch Gabriele Heinrich vom Verein "Wohnen im Eigentum" überzeugte der Vorschlag im Gesetzentwurf nicht.  Mit reinen Online-Eigentümerversammlung würden neue Probleme geschaffen, anstatt Probleme gelöst, sagte sie. Es bestehe die große Gefahr der Ausgrenzung älterer, schwerhöriger oder technik- beziehungsweise bildungsfernerer Eigentümer. Heinrich verwies auf die Möglichkeit der hybriden Versammlung.

Erhebliche Bedenken äußerte auch Rechtsanwalt Urs Taube. Der Entwurf der Bundesregierung verabschiede sich scheinbar ganz nebenbei von zwei zentralen, absolut herrschenden Rechtsgrundsätzen im Zusammenhang mit Eigentümerversammlungen, sagte er. Der eine sei, dass das Recht des einzelnen Eigentümers an der Teilhabe am Entscheidungsfindungsprozess in der Eigentümerversammlung zum Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte des Wohnungseigentums gehöre und grundsätzlich unentziehbar sei. Der zweite betreffe die grundsätzliche Nicht-Öffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung. Diese bezwecke, "dass die Versammlung von fremden Einflüssen frei bleibt und außenstehende dritte Personen die Meinungsbildung nicht beeinflussen können", so Taube.

Pro: "Preiswerter, umweltfreundlicher, barrierefrei und effektiver"

Jost Emmerich, Richter am OLG München, sprach sich für die Änderungen aus. Der Gesetzesentwurf werde der Vielgestaltigkeit von Wohnungseigentümergemeinschaften gerecht, so sein Fazit. Mit ihm würden virtuelle Eigentümerversammlungen nicht vorgeschrieben. Das Gesetz ermögliche sie nur in Ausnahmefällen. Aus seiner Sicht gewährleistet das besondere Quorum von 75% der abgegebenen Stimmen den Schutz der übrigen Wohnungseigentümer ausreichend.

Martin Kaßler, Geschäftsführer beim Verband der Immobilienverwalter Deutschland, nannte den Gesetzentwurf "kurz, knapp und gut". Die virtuelle Versammlung erleichtere die Zusammenarbeit, sei preiswerter, umweltfreundlicher, barrierefrei und effektiver, da Anfahrtswege entfielen. Seiner Auffassung nach ist das 75%-Quorum sogar zu hoch angesetzt. Ein Beschluss mit einfacher Mehrheit reiche aus, so Kaßler.

Auch für Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland ist die Ausweitung hin zu einer rein virtuellen Versammlung ein konsequenter und zumindest mittelfristig auch notwendiger Schritt in die digitale Zukunft, den er grundsätzlich begrüßt. Es sei jedoch fraglich, ob es nicht noch immer eine erhebliche Anzahl an Eigentümern gibt, die nicht über die technischen Möglichkeiten oder das Verständnis zur Teilnahme an einer rein virtuellen Eigentümerversammlung verfügen. Daher plädierte er dafür, die virtuelle Eigentümerversammlung nur mit einstimmigem Beschluss zuzulassen, wie es auch der Bundesrat fordere.

Der Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer Valentin Todorow sprach mit Blick auf den Gesetzentwurf "von einer sinnvollen Ausgestaltung", die gleichzeitig die Präsenzversammlung als Regelfall beibehalte. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten sowie dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung müsse ein geeigneter Kommunikationsweg gewählt werden, der den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft praktikabel ermögliche, ihre Rechte wahrzunehmen. Daher sollte die Gesetzesbegründung im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Anforderungen an die Software umreißen, um der Praxis eine Leitlinie zu geben.

Privilegierung von Steckersolargeräten von Experten gut angenommen

Positiv bewertet wurden die Überlegungen für einen erleichterten Einsatz von Steckersolargeräten. Der Aufnahme des Einbaus von Steckersolargeräten in den Katalog der privilegierten Maßnahmen verschließe sich Haus & Grund nicht, sagte Warnecke. Die Beschränkung auf den Einbau an ausschließlich selbst genutzten Terrassen oder Balkonen, wie die CDU/CSU-Fraktion es in ihrem Gesetzentwurf zum Thema vorsehe, sei dabei sinnvoll.

Die geplante Privilegierung wurde auch von Simone Herpich, Vorsitzende des Vereins Balkon.Solar, ausdrücklich begrüßt. Die Balkonkraftwerke seien sicher und sparten Strom, sagte sie. Bei den 1,6 Millionen eingebauten Anlagen sei bislang nichts passiert, machte sie deutlich. Bis zu 30% Energieeinsparungen in den Haushalten seien dadurch möglich. "Balkonsolar führt uns in die Energiezukunft Deutschlands".

Auch der Deutsche Mieterbund begrüßt, dass Mieterinnen und Mieter einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Erlaubnis zur Installation von Steckersolargeräten erhalten sollen. Der Anspruch sei jedoch ausgeschlossen, wenn die Maßnahme den Vermietern nicht zumutbar sei. Wann dies der Fall sei und welche Vorgaben für die Umsetzung der Maßnahme festgelegt werden dürfen, werde bedauerlicherweise im Gesetzesentwurf und der Begründung nicht näher bestimmt, sagte die Vertreterin des Mieterbunds Sabine Schuhrmann. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Anspruch durch einschränkende Vorgaben der Vermieter entwertet und die Energiewende verzögert werde.

Redaktion beck-aktuell, gk, 20. Februar 2024.