Die Community der Rechtskundigen in Unternehmen und ihre Berater, da sind längst nicht mehr nur Juristinnen und Juristen, die sich mit rechtlichen Themen befassen. Der Begriff der Legal Operations hat sich längst durchgesetzt, ganze Abteilungen beschäftigen sich mit der Optimierung von Rechtsdienstleistung. Die Bucerius Law School definiert Legal Operations so: Gemeint seien Handlungsfelder, die für eine effektive und effiziente Erbringung von Rechtsdienstleistungen relevant sind. "Die Bedeutung der Legal-Operations-Disziplin wird weiter zunehmen und ein integraler Bestandteil vieler Rechtsabteilungen, Kanzleien und weiterer Dienstleister werden", prognostiziert die Hamburger Juristenschmiede.
Wie weit dies inzwischen gediehen ist, haben BUJ und EY Law – der eigenständige Rechtsarm des internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsnetzwerks Ernst & Young – auch 2024/2025 mit der Befragung von mehr als 100 Rechtsabteilungen verschiedener Branchen untersucht. Das Fazit: Nicht nur das Verständnis für Legal Operations sei gewachsen, sondern auch das Bewusstsein für ihren Wert. So gebe es in vielen Unternehmen heute Verantwortliche oder eine Abteilung dafür. "Ihre Aufgabe: Die nötigen Weichen zu stellen, damit ihre Rechtsabteilung bestmöglich arbeiten und ihre optimale Leistung abrufen kann."
Allerdings sehen die Autoren der Studie noch viele Ansätze zur Optimierung. So gelte es nach wie vor, die hohe Arbeitsbelastung der Teams zu reduzieren. "Genau deshalb finden KI-basierte Technologien immer mehr Anwendung", so die Auswertung der Antworten. Was mit Optimismus garniert wird: "Sie können den Fachkräften zeitliche Freiräume schaffen, damit sich diese wieder mehr mit strategischen und inhaltlichen Arbeiten befassen können." Bislang ist man nämlich ganz überwiegend mit regulärer juristischer Arbeit, Routinetätigkeiten und administrativen Aufgaben befasst. Freilich: "Die Einführung neuer Technologien ist für die Juristen ein Kraftakt." Aber zu groß seien die damit verbundenen Vorteile und zu groß der Druck, die Effizienz der Abteilungen weiter zu steigern. Deshalb trauten sich immer mehr Rechtsabteilungen aus der Deckung – und entdeckten, wie sich die Potenziale der digitalen Transformation mehr und mehr ausschöpfen ließen.
"Frühzeitig einbinden"
Einräumen müssen die Verfasser, dass es beim Personal noch Berührungsängste und Widerstände gebe. Der Rat: Rechtsabteilungen täten gut daran, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen frühzeitig ins "Change-Management" einzubinden, sie intensiv zu schulen und die Tech-Lösungen an den Bedarf der Abteilung anzupassen. Das gilt demnach gleichfalls für Maßnahmen zur Optimierung der Prozesse: Insbesondere Standardisierung und Automatisierung müssten verstärkt angepackt werden. Gemeint sind eine bessere Organisation der Arbeit und ihre bestmögliche Verteilung sowie eine zentrale Auftragsannahme. Die Mitarbeiter der Rechtsabteilungen müssten datengetriebenes Arbeiten "annehmen und verinnerlichen". Als Mittel zum Zweck werden ein "sauberes Organisieren und systematisches Erfassen der Daten" genannt sowie die Nutzung von Kennzahlen zur Steuerung der Rechtsfunktion.
Immerhin sieht die Befragung die Transformation auf bestem Weg: "Wo manuelles Arbeiten lange Trumpf war, hat die Arbeit an den Rechtsabteilungen der Zukunft längst begonnen", schmeichelt die Zusammenfassung. Am besten fallen die Zensuren in den Bereichen People, Sourcing, Technology, Process, Governance und Data aus. Allerdings gibt es da einen Wermutstropfen: Wertvolle Potenziale warteten darauf, durch eine Überarbeitung der Sourcing-Strategien (also der Entscheidung zwischen Inhouse-Erledigung und jener durch externe Dienstleister) gehoben zu werden. "Hier dürfen die Abteilungen ruhig etwas mutiger agieren." Zum Ausgleich klopfen die Auswerter den hauseigenen Paragrafenkennern anerkennend auf die Schultern: "War die Rechtsberatung in den Unternehmen früher ein verstecktes Biotop, steht sie als gefragter Ansprechpartner bei wichtigen Entscheidungen heute mehr und mehr im Blickpunkt." Neugier, Mut und Offenheit würden ihnen helfen, mit Hilfe von innovativen und agilen Legal Operations die nächsten Schritte zu gehen – zum Wohl der Unternehmen und zur Freude der Beschäftigten.
"Hohe Aufgabenlast"
Was haben die Untersucher im Detail herausgefunden? Rechtsabteilungen aller Größen nehmen demnach ihre organisatorische Verantwortung für Legal Operations zunehmend wahr. Das "Up- und Re-Skilling von Talenten" genieße oberste Priorität, doch fehle es an spezifischen Trainings – speziell zur Verbesserung der Digitalkompetenz. EY dürfte nicht unglücklich sein, wenn Betroffene bei ihnen eine Beratung buchen. Ihnen gilt immerhin die Solidarität der Rechercheure: "Die Aufgabenlast bleibt enorm hoch." Optimales Priorisieren und Bewältigen der Aufgaben wären daher wichtig, aber neue digitale Tools würden noch zu selten genutzt. 62% der Rechtsabteilungen haben einen Legal-Ops-Beauftragten (m/w/d) oder eine entsprechende Abteilung; vor zwei Jahren waren es bloß 40%. Die Arbeitsbürden hingegen scheinen gewachsen zu sein: 62% der Rechtsabteilungen ächzen unter einer Überlastung und sehen in der Priorisierung von Aufgaben eine zentrale Herausforderung.
Schuld haben daran einerseits externe Disruptionen: Geopolitik, regulatorische Vorgaben, technischer Fortschritt, Geschäfts- und Kundenerwartungen sowie Nachhaltigkeit (in dieser Reihenfolge). Aus der Binnensicht machen den internen Paragrafenkundlern die größte Mühe die Umsetzung neuer rechtlicher und regulatorischer Anforderungen (genannt von 74,4%), gleichauf mit der Optimierung und Standardisierung von Arbeitsprozessen; gefolgt von der Einführung und Integration neuer Technologien (66,3%), wiederum gleichauf mit Effizienzsteigerung und Kostendruck. Eine Überlastung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Probleme bei der Priorisierung von Aufgaben beklagen 60,5%, mangelnde Einbindung in strategische Entscheidungen genau 50%. Alle anderen Ärgernisse monieren weniger als die Hälfte der Antwortenden.
"Kaum Strategien und Inhalte"
Bei den Arbeitsabläufen wird noch viel Luft nach oben gesehen: Meist würden Prozesse noch nicht dokumentiert, um sie beschleunigen und mit weniger Personal erledigen zu können – obwohl es Tools wie Playbooks und Chatbots gebe. Ein besonderer Frust in den Juristenstuben, wo man sich nicht nur auf Rechtsfragen beschränken möchte: Nur ein geringer Teil der Arbeitszeit stehe für die strategische und inhaltliche Arbeit zur Verfügung. Die größten Gefahren werden bei Vertragsthemen, Datenschutz und IT-Sicherheit, Cybersecurity und Datensicherheit ausgemacht. Fürs proaktive Risikomanagement sieht man sich gut geeignet und möchte deshalb besser in die Geschäftsbereiche integriert werden sowie mehr Ressourcen hierfür erhalten.
Auch sonst haben die Rechtsabteilungen allerhand Kummer. Verstreut liegende Daten auf unterschiedlichen Plattformen bremsen aus ihrer Sicht die eigene digitale Transformation erheblich. Ein weiterer Befund: Das Steuern nach Kennzahlen gewinnt an Bedeutung; größere seien damit schon weiter als kleinere. Gesteuert werde in ihren Reihen vorrangig nach den Gesamtkosten, doch noch wichtiger sei die Zufriedenheit der Geschäftsbereiche. Zwar setzen Rechtsabteilungen bereits auf allgemeine GenAI-Lösungen, sind beim Einsatz für spezifische Legal Use Cases allerdings noch zurückhaltend. Als "informierte Einkäufer" tragen sie nach ihrem Bekunden die Verantwortung für externe Rechtsdienstleistungen. Shared-Service-Modelle wie Legal Shared Service Center (SSCs) oder Managed Services zur Bewältigung des Arbeitsvolumens gelten derzeit nicht als die bevorzugte Lösung zur Abnahme juristischer Arbeit; die Nutzung von Alternativen Legal Service Providern (ALSPs) steigt zwar konstant, bleibt freilich noch größtenteils außen vor.
Eine Stimme aus der Praxis wie die von Christian Köhn, LL.M. (DEKRA SE), gibt den Tipp: "Starte mit kleinen, greifbaren Projekten, die schnell Nutzen zeigen" – so der Automatisierung von Geheimhaltungsvereinbarungen (Non Disclosure Agreements – NDAs). Hannes Krauss (ANDREAS STIHL AG & Co. KG) rät zu einer offenen Fehlerkultur sowie der Vermittlung der notwendigen KI- und Datenkompetenzen. Patricia Bragada-Schorn (E.ON SE) hält Tröstliches bereit: "Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass viele Themen bereits mit bestehenden, im Unternehmen vorhandenen Tools adressiert werden können." Viel Positives hat man nach eigenem Bekunden bei der Mercedes-Benz Group AG erreicht. "Unsere Rechtsabteilung ist tief in die Prozesse des Unternehmens integriert und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens", wird Dr. Wolfgang Bartels, Leiter der Rechtsabteilung, zitiert. Und Bereichsleiter Fabian Römer stellt fest: Insbesondere im "Massengeschäft" und bei wiederholt auftretenden Sachverhalten nutzten die Stuttgarter heute schon sehr erfolgreich die Möglichkeiten von Automatisierung und Digitalisierung – so zur Bearbeitung von Klagen in der Litigation-Abteilung.


