Recht einfach? Warum Juristendeutsch oft unverständlich ist
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Für Laien wirken Urteile und Gesetzestexte oft, als wären sie in einer Fremdsprache geschrieben. Eine US-Studie verglich juristische Sprache gar mit Zauberformeln. Aber geht Recht auch im "Klartext"?

Lange, verschachtelte Sätze und Fachwörter, die man vorher noch nie gehört hat: Wer als Nicht-Jurist ein Gesetz, Urteil oder sogar juristische Fachliteratur verstehen will, hat es oft nicht leicht. Fachleute grübeln schon länger, wie man das Recht verständlicher formulieren kann - und warum das sogenannte "Juristendeutsch" überhaupt oft so kompliziert ist.

"Im Prinzip ist Juristendeutsch eine Fachsprache wie alle anderen auch", sagt Roland Schimmel, Rechtswissenschaftler an der Frankfurt University of Applied Sciences. Anders als etwa bei den Naturwissenschaften finde die juristische Kommunikation aber nicht in Formeln, sondern in vollständigen deutschen Sätzen statt. Zudem sei sie tief im Alltag der Menschen verwurzelt. "Wir haben das Gefühl: Das sind unsere Probleme und die müssten wir auch locker verstehen können", sagt Schimmel.

Alte Gesetze, alte Formulierungen

Die Komplexität hat nach Einschätzung von Schimmel auch historische Gründe. Die heutige Rechtssprache sei etwa stark vom antiken römischen Recht sowie vom Latein geprägt worden. Zentrale Gesetze wie das BGB oder das StGB stammten außerdem aus dem 19. Jahrhundert und seien sprachlich nie modernisiert worden, erklärt Schimmel. Deshalb kämen Juristen in ihrer Arbeit oft nicht um altmodische Formulierungen herum.

Juristen seien zudem damals wie heute vor allem akademisch gut ausgebildete Bildungsbürger. "Das sind oft Menschen, die Spaß daran haben, kompliziert zu formulieren", ist Schimmel überzeugt. Häufig sei die Abneigung gegenüber einer einfacheren Formulierung auch der Sorge geschuldet, die eigene Aussage werde dadurch falsch.

Wie eine Zauberformel

Eine US-Studie fand im vergangenen Jahr Parallelen zwischen der Juristensprache (auf Englisch umgangssprachlich "legalese" genannt) und Zaubersprüchen. So wie Zauberformeln durch spezielle Reime und archaische Begriffe Macht signalisierten, vermittele die verworrene Sprache der Juristen ein Gefühl von Autorität, so das Forschungsteam.

Für ihre Untersuchung ließen die Wissenschaftler mehr als 200 Nicht-Juristen teils offizielle Gesetze schreiben, die bestimmte Verbrechen verbieten, und teils inoffizielle Beschreibungen dieser Gesetze formulieren. Dabei zeigte sich: Auch Laien griffen bei Gesetzestexten eher zu verschachtelten Sätzen. Bei den inoffiziellen Beschreibungen war das selbst dann nicht der Fall, wenn sie nachher aufgefordert wurden, im Text weitere Details zu ergänzen.

Gesetzesredaktion prüft Entwürfe

Damit Gesetze in Deutschland sprachlich richtig und möglichst verständlich sind, werden alle Gesetz- und Verordnungsentwürfe von der sogenannten Gesetzesredaktion des Bundesjustizministeriums geprüft. Sie kann auch schon während der Erarbeitung des Entwurfs zur Beratung herangezogen werden. Wenn der Entwurf dann im Parlament liegt, übernimmt der Redaktionsstab beim Deutschen Bundestag die Sprach- und Verständlichkeitsprüfung.

Das Statistische Bundesamt befragt Bürgerinnen und Bürger regelmäßig dazu, wie zufrieden sie in verschiedenen Lebenslagen mit den Leistungen deutscher Behörden sind. Im Jahr 2023 waren die Befragten mit der "Verständlichkeit des Rechts" von allen abgefragten Faktoren am wenigsten zufrieden. Auf einer Skala von -2 (sehr unzufrieden) bis +2 (sehr zufrieden) landete dieser Punkt im Schnitt bei 0,5. Besonders hoch wurden hingegen zum Beispiel die Faktoren Diskriminierungsfreiheit und Unbestechlichkeit (beide 1,6) bewertet.

Keine "Vereinfachung um jeden Preis"

Die Erwartung, juristische Sprache müsse klar und präzise sein, sei zwar richtig, sagt Rechtswissenschaftlerin Pascale Cancik von der Universität Osnabrück. Klarheit dürfe aber nicht mit Einfachheit verwechselt werden, und: Ziel dürfe nicht eine Vereinfachung um jeden Preis sein. "Bei vielen Dingen, die das Recht regelt, geht es um ganz komplexe Vorgänge und verschiedene Interessen, die beteiligt sind", so die Expertin. Nicht immer sei es da möglich, zu vereinfachen, ohne, dass wesentliche Punkte verloren gingen.

Wichtig sei daher immer auch die Frage, wer überhaupt von einem Recht adressiert werde. "Ganz viel hochkomplexes Recht ist für viele Bürgerinnen und Bürger gar nicht unmittelbar relevant", sagt Cancik.

Während man erwarten dürfe, dass etwa die Adressaten einer Genehmigungsregelung für Atommüll-Endlager mit komplizierten Regelungen umgehen könnten, sei es bei Ordnungswidrigkeiten oder im Strafrecht entscheidend, möglichst für alle eindeutig zu kommunizieren, was verboten ist und welche Strafen drohen. Nicht ohne Grund sei das auch verfassungsrechtlich abgesichert.

Ansätze für Universitäten und Schulen

Im Grundgesetz ist unter anderem der sogenannte Bestimmtheitsgrundsatz verankert. Der besagt, dass Gesetze und Verwaltungsakte so klar und bestimmt formuliert sein müssen, dass Bürgerinnen und Bürger verstehen können, was von ihnen erwartet wird.

Auch an deutschen Rechtsfakultäten werde die Bedeutung von Sprache für die Juristerei von vielen Lehrenden erkannt, sagt Professorin Cancik. Spracharbeit gehe aber im dichten Lehrplan oft unter. Studierende hätten oft Schwierigkeiten beim präzisen Formulieren und beim Verständnis komplexer Texte, was letztlich auch das juristische Denken beeinträchtige. Die Juristin regt an, zum Beispiel ein Einführungsjahr vor dem Studium oder verpflichtenden Rechtsunterricht an Schulen einzuführen, um Grundkenntnisse früh zu fördern.

Redaktion beck-aktuell, Jacqueline Melcher, 21. August 2025 (dpa).

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