Reaktionen auf BVerfG-Urteil zur Grundsteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Eine Neuregelung soll nach dem Urteil vom 10.04.2018 bis zum 31.12.2019 erfolgen. Das Bundesfinanzministerium erklärte im Anschluss an die Entscheidung, die Neuregelung gemeinsam mit den Ländern zügig angehen zu wollen. Auch andere politische Akteure meldeten sich zum Grundsteuer-Urteil zu Wort.

Bundesfinanzministerium: Derzeitiges Aufkommen sichern

Für das Bundesfinanzministerium erklärte die parlamentarische Staatssekretärin Christine Lambrecht, bei der Neuregelung komme es darauf an, das derzeitige Aufkommen zu sichern. Das Hebesatzrecht der Gemeinden müsse beibehalten werden. Außerdem müsse eine rechtssichere Bemessungsgrundlage geschaffen werden. "Ziel ist nicht eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage.“

Union-Bundestagsfraktion fordert Rechtssicherheit für Kommunen

Die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Antje Tillmann sowie der zuständige Berichterstatter Fritz Güntzler sprachen sich zudem für eine aufkommensneutrale Reform aus, die Mehrbelastungen möglichst vermeide und den Kommunen Rechtssicherheit über ihre Grundsteuereinnahmen gebe. Wohnen – ob im Eigentum oder Miete – müsse bezahlbar bleiben, so ihre Forderung. "Entscheidend wird letztlich aber nicht die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage sein, sondern die Höhe der Hebesätze, die in der Verantwortung einer jeder Kommune liegt."

Linke für sozial gerechte Lösung und Koppelung des Grunderwerbs an Erbbaurechte

Für Linken-Chefin Katja Kipping muss die Neuregelung aber vor allem sozial gerecht sein. Die Grundsteuer lasse via Betriebskosten die Mieten in die Höhe schnellen. "Auch deshalb darf die Grundstücksbewertung nicht nach Marktkriterien, sondern muss nach sozial gerechten Bemessungen erfolgen. Wohnen und Boden sind lebensnotwendig und dürfen nicht wie Waren gehandelt werden", sagte Kipping gegenüber der dpa. Ferner plädiert die Linke für die stärkere Koppelung des Grunderwerbs an Erbbaurechte. "Denn in letzter Konsequenz soll Boden Allgemeingut sein." Bodenspekulation sei nur möglich, weil die Ressource Boden begrenzt ist. Das führe zu Privilegien einiger weniger, die man zugunsten aller beseitigen müsse, so Kipping weiter.

Städtetag fordert schnelle Regelung zur Sicherung der kommunalen Steuereinnahmen

Auch der Deutsche Städtetag sieht die Politik in der Pflicht, die Reform der Grundsteuer zügig voranzutreiben. Die gewährte knappe Frist müsse genutzt werden, damit die jährlich 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen der Kommunen gesichert würden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy nach der Urteilsverkündung. Ferner fordert er für die Kommunen eine Zusage von Bund und Ländern, dass den Kommunen notfalls alle – auch nur vorübergehenden – Grundsteuer-Ausfälle vollständig ersetzt werden. Rückendeckung bekommt der Städtetag vom Landkreistag, der ebenfalls eine schnelle Neuregelung anmahnt.

BdSt plädiert für "Einfachmodell" bei neuer Grundsteuerberechnung

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) meint ebenfalls, dass sich Bund und Länder schnell auf ein neues Berechnungsmodell für die Grundsteuer einigen müssen. "Für Mieter und Eigentümer darf es nicht teurer werden, betont der stellvertretende BdSt-Präsident Zenon Bilaniuk. "Die Politik verlangt von Bauherren und Wohnungswirtschaft, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dann muss sie auch dafür sorgen, dass die Wohnnebenkosten nicht steigen. Praktisch hält der Verband ein Einfachmodell für sinnvoll und verweist dazu auf Hamburg und Bayern, die ein solches Modell bereits vorgeschlagen hatten. Dabei werden für die Grundstücksberechnung lediglich die Grundstücksgröße und Wohnfläche angesetzt. "Das ist für den Bürger transparent und einfach umsetzbar,“ sagt Bilaniuk.

Beamtenbund: Mehrbelastungen für Finanzämter und Bürger verhindern

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) begrüßte das Urteil. "Jetzt wird es spannend, wie schnell und auf welches Modell sich der Gesetzgeber einigen wird", sagte der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach nach dem Urteilsspruch. "Ob Pauschalierung, Indexierung oder ein reines Bodenwert-Modell – unser Hauptaugenmerk wird im anstehenden Entscheidungsfindungsprozess darauf liegen, dass die Grundsteuer-Reform weder auf dem Rücken der zuständigen Kollegen in den Finanzämtern ausgetragen wird noch zulasten aller Bürger geht", machte der dbb-Chef deutlich. Thomas Eigenthaler, stellvertretender dbb-Bundesvorsitzender und Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, ergänzte: "Bund, Länder und Kommunen müssen jetzt gemeinsam an einem Strang ziehen und sich zügig auf ein machbares Reformkonzept einigen – am besten im engen Austausch mit den zuständigen Finanzbehörden, die das entscheidende Umsetzungs-Know how haben."

BDI: Keine Steuererhöhung durch die Hintertür

Der Vertreter des Industrieverbands BDI Joachim Lang appelliert an die Verantwortlichen, schnell eine effiziente und verfassungsfeste Neuregelung der Grundsteuer zu verabschieden, warnte aber vor einer Steuererhöhung durch die Hintertür. Eine völlige Neubewertung der rund 35 Millionen Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftlicher Betriebe würde zu einem enorm hohen Bewertungsaufwand für Unternehmen führen. Das sei unbedingt zu vermeiden. Die Politik sollte im Auge behalten, dass eine Neuregelung aufkommensneutral bleiben müsse. Alles andere wäre angesichts des weltweiten Trends, Steuern zu senken, eine "Steuererhöhung durch die Hintertür."

NABU und Mieterbund für "reine" Bodensteuer

Für den Naturschutzbund NABU erlaubt der Urteilsspruch die Umsetzung einer einfachen und innerhalb der gesetzten Frist durchführbaren Variante, nämlich der Besteuerung des Bodenwertes. Dieser von Zivilgesellschaft und Fachwelt angeregte Reformvorschlag sei von Bund und Ländern bei ihren bisherigen Reformüberlegungen beharrlich ignoriert worden. Dabei könnte er problemlos innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist verwirklicht werden. Hierbei würde die unverhältnismäßig aufwendige und zeitraubende Gebäudebewertung obsolet. Die Bemessungsgrundlage wären einzig die Bodenrichtwerte, die größtenteils bereits flächendeckend vorliegen, so der NABU. Auch Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln zeigt sich offen für die Bodensteuer. Eine Bodensteuer hätte starke positive Effekte auf den Boden- und Wohnungsmarkt, so Henger. "Sie verhält sich gänzlich neutral gegenüber Investitionen, würde Spekulationen verteuern und schafft somit einen Anreiz zu bauen. Damit würde eine Bodensteuer die Planungsziele der Städte und Gemeinden stärken, anstatt sie zu konterkarieren", so Henger. Weitere Rückendeckung für die Bodensteuer kommt vom Deutschen Mieterbund. Mit einer Bodensteuer würden Mehrfamilienhäuser entlastet und unbebaute beziehungsweise ungenutzte Grundstücke deutlich höher belastet.

Redaktion beck-aktuell, 11. April 2018.

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