RAF-Terroristin bittet Schleyers Sohn um Verzeihung

Über 40 Jahre nach der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer hat eine frühere RAF-Terroristin die Angehörigen um Verzeihung gebeten. Silke Maier-Witt (67), die wegen Beteiligung an der Entführung und Ermordung Schleyers zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, traf nach einem Bericht der "Bild“-Zeitung vergangene Woche mit Jörg Schleyer (63), dem jüngsten Sohn des 1977 entführten und ermordeten Managers zusammen. Die Begegnung fand im mazedonischen Skopje statt, wo Maier-Witt seit mehreren Jahren lebt.

1990 zu zehn Jahren Haft verurteilt

Die ehemalige Terroristin begrüßte Schleyer demnach mit den Worten: "Es klingt so platt. Aber ich möchte erst einmal um Verzeihung bitten. Es hilft nicht viel, aber ich denke, dass ich immer ausgewichen bin, mich dem zu stellen.“ Maier-Witt war seit 1977 Mitglied der Rote Armee Fraktion (RAF), tauchte 1980 in der DDR unter. 1990 wurde sie zu zehn Jahren Haft verurteilt und 1995 vorzeitig entlassen.

40 Jahre auf der Suche nach Antworten

Seit 40 Jahren sucht Jörg Schleyer Antworten auf die Fragen, wie sein Vater die Geiselhaft verbracht und welcher Terrorist die tödlichen Schüsse abgegeben hat. Nach dem mehr als siebenstündigen Gespräch mit Maier-Witt sagte er der "Bild“: "Erstmalig habe ich aus dem Mund einer wegen des Mordes verurteilten Terroristin erfahren, wer die drei Personen sind, die bei meinem Vater waren, als die tödlichen Schüsse abgegeben wurden.“ Er hoffe, dass weitere Täter Maier-Witts Beispiel folgen.

RAF-Experte: Maier-Witt kann keine Aufklärung bieten

Das hält RAF-Experte Butz Peters für unwahrscheinlich. Und Aufklärung erwartet er davon ohnehin nicht. Der Bundesgerichtshof habe den RAF-Mitgliedern von 1977 ein weitreichendes Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden. Die Äußerungen Maier-Witts seien "überhaupt nichts Neues“, sagte Peters gegenüber der dpa. "Sie war in der RAF 1977 eher eine Randperson und hat Schleyer nie gesehen.“ Auch bei der Entführung sei sie nicht dabei gewesen. Zur Sache selbst könne sie deshalb gar nichts sagen. "Es ist nach wie vor ungeklärt, wer abgedrückt hat", sagte Peters. Vor dem Mord war der Versuch der Terroristen gescheitert, mit der Entführung führende RAF-Mitglieder aus der Haft freizupressen.

Schleyer bittet Steinmeier um Akten-Freigabe

Schleyer bat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um die Freigabe der bisher unter Verschluss gehaltenen Akten zu dem Mord an seinem Vater. "Bei der Entscheidung über mindestens acht Gnadengesuche von RAF-Mördern in den vergangenen Jahren muss das Präsidialamt Einsicht in Aktenauszüge der Bundesanwaltschaft, des Verfassungsschutzes und des BND zu den Morden bekommen haben. Genau dieses Wissen darf den Hinterbliebenen der Opfer nach 40 Jahren nicht weiter verwehrt werden.“ Zum 40. Jahrestag der Ermordung Schleyers hatte Steinmeier Mitte Oktober 2017 ehemalige RAF-Terroristen aufgefordert, ihr Schweigen zu brechen. Eine Sprecherin des Präsidialamts sagte zu der Bitte von Schleyers Sohn, man werde sich mit dem Anliegen befassen.

Baum: Für eine Entschuldigung nie zu spät

Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hält die Entschuldigung der früheren RAF-Terroristin für glaubwürdig. Eine Entschuldigung komme "nie zu spät", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" in der Ausgabe vom 29.11.2017. "Frau Maier-Witt hat zwar an der Schleyer-Entführung mitgewirkt. Aber sie ist da reingezogen worden.“ Auch der frühere Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) begrüßt die Entschuldigung. Der "Suttgarter Zeitung“ vom 29.11.2017 sagte er, dies sei eine "bemerkenswerte und wahrscheinlich auch für die Familie Schleyer wichtige Geste“.

Redaktion beck-aktuell, Thomas Lanig und Torsten Holtz, 29. November 2017 (dpa).

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