Überschneidungen zu bereits bekannten Extremisten
Es lägen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung vor, teilten Innenminister Thomas Strobl (CDU) und die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Beate Bube mit. "Die fortgeschrittene Radikalisierung der 'Querdenken'-Gruppierung im Land macht eine Beobachtung ihrer Organisationsebene durch unseren Verfassungsschutz unabdingbar", sagte Strobl. Bube sieht mit Blick auf die Organisatoren sowie das Netzwerk in Baden-Württemberg sowohl personelle als auch ideologische Überschneidungen zu bereits bekannten Extremisten aus dem Milieu der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sowie aus dem Rechtsextremismus. "Gezielt werden extremistische, verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte mit einer legitimen Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vermischt", erklärte Bube.
Milieu der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"
Mehrere maßgebliche Akteure der "Querdenken"-Bewegung ordne das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg selbst dem Milieu der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" zu, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen und demokratische und rechtsstaatliche Strukturen negieren. Hinzu komme die bewusste, überregionale Zusammenarbeit mit anderen bekannten extremistischen Akteuren aus dem Milieu der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sowie aus dem Rechtsextremismus, die sich in jüngerer Zeit weiter verfestigt habe. Diese Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stünden in deutlichem Widerspruch zu offiziellen Verlautbarungen von "Querdenken 711", sich von Extremismus jeglicher Art zu distanzieren.
Anleihen an Verschwörungsideologie "QAnon"
"Seit Beginn des Protestgeschehens stellen wir bei den zentralen Akteuren der 'Querdenker' eine zunehmende Diffamierung staatlichen Handelns fest, die immer wieder in abwegigen Vergleichen mit der Diktatur des Nationalsozialismus und einer Verharmlosung des Holocaust gipfelt", so Innenminister Strobl. Dabei seien verstärkt auch Anleihen an die ursprünglich aus den USA stammende antisemitische und staatsfeindliche Verschwörungsideologie "QAnon" festzustellen, betonte die Verfassungsschutzpräsidentin. Das betreffe sowohl die Präsenz von wahrnehmbaren "QAnon"-Codes bei Versammlungen als auch Äußerungen des "Querdenken"-Führungspersonals. Extremistische Verschwörungsmythen könnten der Nährboden für Gewalthandlungen sein – etwa, wenn zum Widerstand gegen vermeintliches Unrecht aufgerufen werde, sagte Bube.
Nur Organisationsstrukturen betroffen
Die Neubewertung des baden-württembergischen Verfassungsschutzes und die nun zu treffenden Maßnahmen richteten sich ausschließlich gegen die Organisationsstrukturen von "Querdenken 711" und ihrer regionalen Ableger sowie gegen Extremisten im Umfeld der Gruppierung und ihrer Versammlungen, so da Innenministerium. Nicht betroffen seien die größtenteils nicht-extremistischen Teilnehmer am Corona-Protestgeschehen. Die Mehrheit der Teilnehmer der 'Querdenken'-Demonstrationen seien keine Extremisten. "Der Verfassungsschutz kommt seiner Rolle als Frühwarnsystem der freiheitlich demokratischen Grundordnung nach. Und dieses Frühwarnsystem hat bei 'Querdenken' hörbar angeschlagen", so Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube.