Quarantäne-Neuregelung für Rückkehrer aus bestimmten europäischen Ländern bleibt vorerst in Vollzug

In Niedersachsen bleibt es vorläufig bei der Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer aus bestimmten europäischen Ländern. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 05.06.2020 entschieden und einen Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der Regelung abgelehnt. Die Vorgängerregelung in der niedersächsischen Corona-Verordnung war gekippt worden, weil sie eine pauschale 14-tägige Quarantäne-Pflicht für Rückreisende aus aller Welt vorgesehen hatte.

Pauschale Quarantäne-Pflicht für Reiserückkehrer war gekippt worden

Die vorausgegangene Regelung in § 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 08.05.2020 war vom 13. Senat mit Beschluss vom 11.05.2020 einstweilig außer Vollzug gesetzt worden (Az.: 13 MN 143/20). Diese Regelung sah die pauschale Anordnung einer 14-tägigen Quarantäne für nach Deutschland Rückreisende aus aller Welt ohne Befreiungsmöglichkeit vor. Sie wurde vom Senat als rechtswidrig erachtet, weil nicht bei allen Rückkehrern unterschiedslos ein hinreichender Ansteckungsverdacht anzunehmen sei. 

Neuregelung lockert Quarantäne-Pflicht

Auf diese einstweilige Außervollzugsetzung hat das Niedersächsische Gesundheitsministerium die Verordnung nach Abstimmung mit dem Bund und den anderen Ländern geändert. Durch die Änderungsverordnung vom 22.05.2020 wurde die Regelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer vollständig neu gefasst. § 5 unterscheidet nun danach, ob eine Person aus bestimmten europäischen Ländern oder aus einem anderen Land einreist. Im ersten Fall wird eine Pflicht zur Quarantäne, eine Pflicht zur Meldung gegenüber der zuständigen Behörde und eine Beobachtung durch die zuständige Behörde nur für den Fall angeordnet, dass nach einer Veröffentlichung des Robert Koch Instituts (RKI) nach den statistischen Auswertungen und Veröffentlichungen des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) in dem betreffenden Ausreisestaat mehr als 50 Neu-Fälle pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen bestehen. Für Personen, die aus anderen Ländern einreisen, wird demgegenüber grundsätzlich eine 14-tägige Quarantäne angeordnet, es sei denn, es ist festgestellt, dass für den betreffenden Staat das dortige Infektionsgeschehen eine Ansteckungsgefahr für die einzelne Person als gering erscheinen lässt. Für alle Personen sieht die Neuregelung zudem eine Befreiungsmöglichkeit auf Antrag in begründeten Einzelfällen vor.

OVG: Grenzwert sichert Rückverfolgbarkeit

Der Antragsteller begehrte im Normenkontrolleilverfahren ausschließlich die einstweilige Außervollzugsetzung der Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer aus bestimmten europäischen Ländern in § 5 Abs. 1 der Verordnung. Diese Neuregelung sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig, hat der Senat nun entschieden. Der Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen markiere die Grenze, bis zu der die öffentliche Gesundheitsverwaltung in Deutschland zu einer Rückverfolgung der Infektionsketten maximal in der Lage sei und so das Ziel der Verhinderung der weiteren Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko noch erreicht werden könne. Mit Überschreitung dieses Grenzwerts bestehe die ernsthafte Gefahr, dass die Gesundheitsverwaltung aufgrund der schieren Anzahl der Neuinfektionen die Fähigkeit verliere, das Infektionsgeschehen ohne weitere einschneidende Maßnahmen unter Kontrolle zu halten.

Einstufung als Risikoland erfolgt auf belastbaren Grundlagen

In Abgrenzung zur insoweit nur wenig aussagekräftigen Gesamtzahl aller jemals Infizierten ergebe sich aus diesem Wert von Neuinfektionen innerhalb kurzer Zeit ein entscheidender Hinweis auf eine signifikante Dynamik eines Infektionsgeschehens. Die Übertragung dieses Grenzwerts für die Rückverfolgung und Fallfindung in Deutschland auf die Situation in anderen europäischen Ländern sei zwar nicht zwingend. Im Sinne einer notwendigerweise typisierenden Betrachtungsweise in einer Rechtsverordnung dürfte sie aber durchaus zulässig sein. Die vom RKI nach den statistischen Auswertungen und Veröffentlichungen des ECDC zu veröffentlichende Feststellung einer Überschreitung des Grenzwerts beruhe zudem auf hinreichend konkret nachvollziehbaren und belastbaren tatsächlichen Grundlagen. Dies könne es letztlich rechtfertigen, ein derartiges Land als Risikogebiet anzusehen und einen aus einem solchen Land Einreisenden unter Anlegung des gebotenen "flexiblen" Maßstabs für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit als ansteckungsverdächtig im Sinne des § 30 des Infektionsschutzgesetzes zu betrachten. 

Redaktion beck-aktuell, 5. Juni 2020.