Cum-Ex-Prozess in Wiesbaden startet ohne Schlüsselfigur

Mit Aktiengeschäften rund um den Dividendenstichtag haben Banker und Berater den Fiskus über Jahre um Milliarden gebracht. Vor dem Landgericht Wiesbaden hat nun ein weiterer Prozess zu dem Komplex begonnen. Hanno Berger, der als Drahtzieher der Deals gilt, erschien allerdings nicht zum Prozess. Das Verfahren gegen ihn wurde abgetrennt.

Nicht gezahlte Kapitalertragsteuern in Höhe von 113 Millionen Euro erstatten lassen

Die Justiz verhandelt seit Donnerstag über die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gegen zwei ehemalige Mitarbeiter der Hypo-Vereinsbank. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt wirft den Angeklagten um den Rechtsanwalt und Steuerberater Hanno Berger und weiteren Männern Steuerhinterziehung mithilfe eines komplexen Systems vor. Dabei seien zwischen 2006 und 2008 über die Hypo-Vereinsbank Dax-Aktien im Volumen von mehr als 15 Milliarden Euro gehandelt worden. Die Männer hätten systematisch darauf gezielt, sich mit falschen Bescheinigungen Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen, die gar nicht gezahlt worden waren. Die unberechtigt erlangten Gelder bezifferte die Staatsanwaltschaft auf 113 Millionen Euro. Berger, der die Vorwürfe abstreitet, sei die "treibende" Kraft gewesen. Er beriet auch andere Geldhäuser bei Cum-Ex-Deals.

OLG Frankfurt a. M. sieht auch gewerbsmäßigen Bandenbetrug

Für schwere Steuerhinterziehung drohen bis zu zehn Jahre Haft. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wertet Cum-Ex-Geschäfte aber auch als gewerbsmäßigen Bandenbetrug, wie die Justiz Mitte März mitteilte. Die erlangten 113 Millionen Euro seien nach einer vereinbarten Quote unter den Bandenmitgliedern aufgeteilt worden. Gegen Berger, der in der Schweiz lebt, liegt ein Haftbefehl des LG Wiesbaden vor. Bergers Umzug in die Schweiz sieht die Justiz als Flucht: Er habe offenbar gewusst, dass die Schweiz wegen Steuerdelikten nicht nach Deutschland ausliefere.

Anwalt Bergers: Keine Auslieferung aus der Schweiz

"Eine Auslieferung nach Deutschland kommt nicht in Betracht", sagte Bergers Anwalt Kai Schaffelhuber der dpa. Dafür sei entscheidend, wie die Schweiz die Sachlage einschätze. In Wiesbaden sei Berger nicht erschienen, da er nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Sein Verteidiger Sebastian Gaßmann ergänzte, schon die Androhung von Zwangsmaßen verletze die Souveränität der Schweiz. Zudem sei Berger "hospitalisiert", sagte Gaßmann mit Blick auf Bergers Gesundheit. Die Verteidiger der beiden Ex-Banker der Hypo-Vereinsbank erklärten, ihre Mandanten seien lediglich mit ausführenden Tätigkeiten betraut gewesen, nicht mit strategischen. An der Integrität von Berger und seiner Expertise hätten sie nicht zweifeln können.

Mehrere Gerichte arbeiten Cum-Ex-Skandal auf

Mehrere Gerichte und Staatsanwaltschaften - vor allem in Frankfurt und Köln - arbeiten den Cum-Ex-Skandal seit Jahren auf. Im März 2020 wurden zwei britische Aktienhändler am Landgericht Bonn zu Bewährungsstrafen verurteilt. Es war das erste Mal, dass Cum-Ex-Geschäfte als Straftat gewertet wurden. Noch immer gibt es neue Ermittlungen: Erst diese Woche ließ die Staatsanwaltschaft Frankfurt bei einer Razzia Wohnungen und Geschäftsräume durchsuchen.

Wiesbadener Prozess mehrfach vertagt

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte schon im Mai 2018 ihre Anklage öffentlich gemacht. Das Wiesbadener Gericht prüfte die Anklage aber lange, zudem wurde der Prozess wegen der Corona-Pandemie mehrfach vertagt. Auch wurde das Verfahren für zwei weitere Angeklagte abgetrennt, da sie ihren Wohnsitz in Irland und Gibraltar haben und Reisebeschränkungen für Virusvariantengebiete gelten. Ein dritter Mann ist flüchtig und wird in Neuseeland vermutet.

De Masi (Die Linke): Behörden müssen aufrüsten 

Der Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende Gerhard Schick, forderte Konsequenzen für Berger. "Er darf sich den deutschen Behörden durch seinen Aufenthalt in der Schweiz nicht länger entziehen können." Es werde nun seit acht Jahren zu Cum-Ex in Deutschland ermittelt. "Zeit, dass erste Personen wegen ihrer Vergehen hinter Gitter landen." Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion im Bundestag, forderte, die deutschen Behörden müssten aufrüsten, um Cum-Ex-ähnliche Geschäfte zu unterbi2nden. "Wir brauchen einen IT-gestützten Abgleich von gezahlten Kapitalertragsteuern und Erstattungsanträgen in Deutschland", verlangte De Masi.

Redaktion beck-aktuell, 26. März 2021 (dpa).