Prozess um "Tiergarten-Mord" gestartet

Handelte es sich bei dem "Tiergarten-Mord" um einen Mord im Auftrag Russlands? Darum geht es in dem mit Spannung erwarteten Prozess vor dem Kammergericht in Berlin, der am 07.10.2020 begonnen hat. Angeklagt ist ein 55-jähriger Russe, der vor mehr als einem Jahr am helllichten Tag im Kleinen Tiergarten einen 40 Jahre alten Georgier tschetschenischer Abstammung erschossen haben soll.

Bundesanwaltschaft geht von Mord im Auftrag Russlands aus

In ihrer Anklage geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass der Angeklagte von "staatlichen Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation“ beauftragt wurde. Hintergrund sei "die Gegnerschaft des späteren Opfers zum russischen Zentralstaat, zu den Regierungen seiner Autonomen Teilrepubliken Tschetschenien und Inguschetien sowie zu der pro-russischen Regierung Georgiens“. Der Ausgang des Prozesses dürfte erhebliche Auswirkungen auf das deutsch-russische Verhältnis haben.

Prozess unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen

Wegen des vermuteten politischen Hintergrundes hatte die höchste deutsche Anklagebehörde die Ermittlungen übernommen. Die Verhandlung wird von einem Staatsschutzsenat des Berliner Gerichts geführt. Für den Prozess wurden verstärkte Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Kontrollen auf Waffen und gefährliche Werkzeuge sind vorgesehen. Die Zahl der Besucher ist auch wegen der Corona-Pandemie eingeschränkt. Die Plätze für Journalisten wurden ausgelost. Die Verhandlung im Hochsicherheitssaal wird wegen der begrenzten Presseplätze per Ton auch in einen separaten Medienraum übertragen.

Angeklagter kurz vor Tat mit Alias-Namen nach Deutschland gekommen 

Am 23.08.2019 soll sich der angeklagte Russe auf einem Fahrrad dem 40-Jährigen, der seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland lebte, im Kleinen Tiergarten genähert haben. Aus nächster Nähe soll er mit einer Schalldämpfer-Pistole den Mann erschossen haben. Der mutmaßliche Täter wurde noch am selben Tag gefasst und sitzt in Untersuchungshaft. Er soll erst kurz vor der tödlichen Attacke mit Alias-Namen nach Deutschland gekommen sein. Der 40-Jährige starb am Tatort. Er war von russischen Behörden als Terrorist eingestuft worden.

Belastung der deutsch-russischen Beziehungen

Sollte es das Gericht als erwiesen ansehen, dass der Angeklagte einen Auftrag zum Töten aus Moskau bekam, wäre dies ein weiterer Rückschlag für das ohnehin schwer angeschlagene Verhältnis beider Länder. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für diesen Fall auch Konsequenzen angekündigt.

Ausweisung von Diplomaten nach Mord

Die Bundesregierung wirft der russischen Regierung zudem fehlende Kooperation vor. Wenige Wochen nach dem Mord wurden zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel den Ermordeten einen "Banditen» und «Mörder" genannt. Auch zwei deutsche Diplomaten wurden aus Moskau ausgewiesen.

Prozess bis Ende Januar 2021 terminiert

Nach Angaben einer Gerichtssprecherin wurden für den ersten Verhandlungstag noch keine Zeugen geladen. Die ersten von ihnen sollten am Donnerstag kommen. Sie sollen zum Tatzeitpunkt in dem Park gewesen sein. Der Prozess ist zunächst bis Ende Januar terminiert.

Redaktion beck-aktuell, 7. Oktober 2020 (dpa).