Der frühere VW-Vorstandschef Martin Winterkorn bestreitet kurz vor dem Prozess gegen ihn zur Dieselaffäre jegliche Schuld. "Unser Mandant weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entschieden zurück", teilte sein Verteidiger Felix Dörr zum Prozessauftakt vor dem LG Braunschweig (Az. 16 KLs 411 Js 23888/16 (75/19)) mit. Winterkorn sei weder der Hauptangeklagte noch der Hauptverantwortliche für den Dieselskandal beim Wolfsburger Autobauer vor mittlerweile neun Jahren.
Allein seine Stellung als damaliger Vorstandsvorsitzender rechtfertige es nicht, ihn in dieser Weise zu qualifizieren und für das Thema Dieselmotoren in allen seinen Facetten verantwortlich zu machen. "Wir sind zuversichtlich, dass wir zu einem guten Ergebnis für unseren Mandanten gelangen werden", sagte Dörr. Dem 77-Jährigen werden in dem Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer gewerbsmäßiger Betrug, Marktmanipulation und uneidliche Falschaussage vorgeworfen.
Winterkorn-Verteidiger: Nachweis persönlicher Schuld nötig
"Dieselgate" war im September 2015 durch Nachforschungen von US-Umweltbehörden und Wissenschaftlern aufgeflogen und hatte Winterkorn aus dem Amt gefegt. Der Vorstand übernahm mit seinem Rücktritt die politische Verantwortung, wies aber strafrechtlich relevantes Verhalten zurück. Zum Prozessbeginn verwies Verteidiger Dörr darauf, dass das Strafrecht den Nachweis persönlicher Schuld eines jeden Angeklagten erfordere.
Die Botschaft der Verteidigung ist klar: Das Gericht muss beweisen, dass die wichtigen Informationen den damaligen Konzernchef beim Autogiganten erreicht haben. Zentraler Punkt für alle drei Vorwürfe sei daher die Frage nach Kenntnis und insbesondere nach dem Zeitpunkt des Wissens vom Einsatz einer kritischen Software in US-Fahrzeugen, sagte Dörr. Erst wenn dies feststehe, könne die weitere Voraussetzung einer Strafbarkeit geprüft werden.
Anders als Dörr ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, Winterkorn habe früher Bescheid über die Abgasmanipulation gewusst, als er bisher angegeben hatte. In der Verlesung der Anklageschrift heißt es, er sei spätestens im Mai 2014 über den Einsatz einer illegalen Software in den USA informiert worden. Danach habe er es pflichtwidrig unterlassen, den Verkauf betroffener Autos zu stoppen. Laut Anklage hat er von seinen Pflichten als Vorstandschef gewusst und dennoch zugelassen, dass Autos in den USA mit unrichtigen Angaben weiter vermarktet wurden.
Für die Verteidigung steht zumindest fest, dass Winterkorn "nicht betrogen" und "niemanden geschädigt" habe. Er habe auch nicht den Kapitalmarkt gezielt im Unklaren gelassen oder gegenüber dem Untersuchungsausschuss im Bundestag die Unwahrheit gesagt. Für den Strafprozess sind fast 90 Termine bis September 2025 angesetzt.