Dunkelhäutigen Patienten in Klinik-Wartebereich für Ebola-Bericht fotografiert
Der Beschwerdeführer, ein Pressefotograf, hatte im Wartebereich eines Universitätsklinikums einen dunkelhäutigen Patienten fotografiert. Das Foto wurde unverpixelt in der Onlineausgabe einer großen deutschen Tageszeitung veröffentlicht. Es illustrierte einen Bericht, der unzureichende Sicherheitsvorkehrungen des Klinikums in Ebola-Verdachtsfällen dokumentieren sollte. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung waren die Ausbreitung des Ebola-Virus und die Sorge darum Themen, die in der Öffentlichkeit breite Aufmerksamkeit erfuhren. Der Abgebildete, die behandelnde Ärztin und die herbeigerufene Polizei hatten den Beschwerdeführer noch in der Klinik wiederholt zur Löschung des Bildes aufgefordert. Vor der Weitergabe an die veröffentlichende Presseredaktion hatte der Beschwerdeführer das Bildmaterial unter Erläuterung des Entstehungskontextes auch anderen Nachrichtenredaktionen angeboten. Bei der Weitergabe des nicht verpixelten Bildmaterials an ein Redaktionsmitglied des veröffentlichenden Presseorgans wurde die Frage der Verpixelung nicht thematisiert. Ob der Beschwerdeführer auf die Umstände der Anfertigung der Fotos hingewiesen hatte, wurde gerichtlich nicht festgestellt.
Beschwerdeführer zu Geldstrafe verurteilt
Die Strafgerichte verurteilten den Beschwerdeführer daraufhin wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses gemäß §§ 33, 22 f. KunstUrhG zu einer Geldstrafe (OLG Köln, ZUM-RD 2017, 551; LG Aachen, BeckRS 2016, 123955; AG Aachen, BeckRS 2015, 122789). Zwar handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Eine befugte Verwendung oder Verbreitung des Bildnisses hätte jedoch eine weitergehende Verfremdung und Unkenntlichmachung vorausgesetzt, zumal von der Veröffentlichung in Anbetracht der Darstellungsweise und der hohen Auflagenzahl eine besondere Prangerwirkung ausgegangen sei. Die unverpixelte Veröffentlichung sei dem Beschwerdeführer auch zuzurechnen, weil er die bebilderte Berichterstattung selbst veranlasst und angestrebt habe. Es hätte ihm daher oblegen, die Unkenntlichmachung in geeigneter Weise sicherzustellen.
BVerfG: "Verbreiten" zu Recht bejaht
Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Die Strafgerichte hätten bei der Anwendung der §§ 33, 22 f. KunstUrhG und des darin enthaltenen abgestuften Schutzkonzepts den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Keine Bedenken hat das BVerfG allerdings dagegen, dass die Gerichte die Weitergabe an die Redaktion zum Zweck einer späteren Veröffentlichung als "Verbreiten" im Sinne der §§ 22 f. KunstUrhG gewertet haben. Das stelle nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs infrage, wonach externe Bildarchive bei einer Weitergabe von Bildmaterial an Presseredaktionen keinen Prüfpflichten in Hinblick auf eine Veröffentlichung unterliegen.
Pressefotografen treffen Sorgfaltspflichten
Denn diese Rechtsprechung betreffe die Konstellation routinemäßiger Zulieferung von Bildmaterial, dessen Einsatzweise und konkreter Veröffentlichungskontext noch im Unklaren lägen. Verfassungsrechtlich spreche demgegenüber nichts dagegen, dass Pressefotografen und Journalisten, die mit Blick auf eine bestimmte Veröffentlichung Bildmaterial lieferten, dabei gewissen – auch strafrechtlich bewehrten –Sorgfaltspflichten unterliegen. Insbesondere dürften sie die Umstände, unter denen die Bildaufnahmen gemacht worden seien, nicht verschweigen, soweit sie für Schutzvorkehrungen zugunsten der Betroffenen relevant sein könnten.
Zwischen Weitergabe an Presse und Veröffentlichung zu differenzieren
Das BVerfG rügt jedoch die Abwägung, die den grundrechtlichen Maßstäben nicht genüge. Das Landgericht begründe eine Verletzung der Interessen des Abgebildeten in erster Linie mit der erheblichen Stigmatisierung und öffentlichen Bloßstellung durch die spätere unverpixelte Veröffentlichung. Es knüpfe damit an Umstände an, die zum Zeitpunkt der tatbestandlichen Weitergabe an die Presseredaktion weder vorhanden gewesen seien noch sich abgezeichnet hätten. Zwischen den Risiken und Schäden aus einer Weitergabe an die Presse und denjenigen aus einer späteren Veröffentlichung hätte das LG differenzieren müssen. In Abgrenzung dazu knüpfe das Oberlandesgericht bei der Abwägung zwar an den richtigen Bezugspunkt an. Es berücksichtige jedoch die Arbeits- und Verantwortungsstrukturen der Presse und vorangehender Recherchen nicht ausreichend. Besondere Umstände, die eine achtlose, konkret interessenverletzende und damit rechtswidrige Weitergabe der Bildaufnahmen an die Redaktion belegen könnten, seien nicht festgestellt.
Redaktionen für Verpixelung verantwortlich
Insbesondere die fehlende Verpixelung der Bildaufnahmen sei kein Umstand, aus dem sich eine Verletzung von Sorgfaltspflichten im Zeitpunkt der Weitergabe ergeben könnte. Denn angesichts der presserechtlich gebotenen Prüfung und Verantwortung der veröffentlichenden Redaktion könne eine Verpixelung schon bei einer Weitergabe von Fotos an die Presse grundsätzlich nicht verlangt werden. Ein Verschweigen erheblicher Umstände, etwa des Widerspruchs des Betroffenen gegen die Herstellung der Bildaufnahmen oder der Löschungsaufforderungen durch Klinikmitarbeiter, sei gerichtlich nicht festgestellt. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Verpixelung im Rahmen der Weitergabe nicht angesprochen habe, könne beim Zuliefern von Bildmaterial an eine professionelle Presseredaktion nicht als Verstoß gegen journalistische Sorgfaltspflichten gelten. Denn es liege in der Verantwortung der Redaktionen, bei der Veröffentlichung von Bildaufnahmen die Rechte der Abgebildeten zu wahren, über die hierzu nötige Fachkunde zu verfügen und die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Es erschließe sich damit nicht, weshalb bereits die Weitergabe der unverpixelten Bildaufnahmen an die Presseredaktion aus Sicht der Strafgerichte berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzte.