Präsidentin des djb kritisiert BVerfG-Entscheidung zu geschlechtergerechter Sprache

"Mit dem heutigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist eine Chance vertan zu bestätigen, dass das generische Maskulinum nicht nur sprachlich, sondern auch rechtlich diskriminierend ist“, kommentierte die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes (djb) Maria Wersig einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter hatten eine Verfassungsbeschwerde zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Sparkassenvordrucken nicht zur Entscheidung angenommen.

BGH verneinte Anspruch auf richtige Geschlechtsbenennung in Formularen

Die Klägerin, die in Vordrucken ihrer Sparkasse als "Kundin", "Kontoinhaberin", "Einzahlerin" oder "Sparerin" bezeichnet werden möchte, war im März 2018 in dritter Instanz vor dem Bundesgerichtshof gescheitert (Az.: VI ZR 143/17; BeckRS 2018, 3839. Nach dem allgemein üblichen Sprachgebrauch und Sprachverständnis - so der Bundesgerichtshof im Leitsatz der damaligen Entscheidung - könne der Bedeutungsgehalt einer grammatisch männlichen Personenbezeichnung jedes natürliche Geschlecht umfassen. Die Verwendung des sogenannten "generischen Maskulinums" sei daher keine Diskriminierung.

Urteil wirft Rechtsfragen zu Diskriminierungspotenzial von Sprache auf

Es sei an der Zeit etwas zu ändern, zumal der männlich konnotierte Sprachgebrauch - insbesondere in Gesetzen - aus der jahrhundertelangen gesellschaftlichen und rechtlichen Unterdrückung der Frau resultiere, fordert Wersig. Die linguistische Forschung zeige, dass die Verwendung des "generischen Maskulinums" nicht geschlechtsneutral aufgefasst werde. Vielmehr bewirke es, dass Frauen gedanklich in einem geringeren Maße bedacht und einbezogen werden. Geschlechtergerechte Sprachformen könnten das ändern. "Der Beschluss der Zweiten Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts wirft gleichwohl wichtige Rechtsfragen der Diskriminierungspotenziale von Sprache auf. Dies betrifft die Sprachverwendung im Grundgesetz selbst und die nicht hinzunehmenden Hürden der Rechtsdurchsetzung", so Wersig weiter.

Wersig will direkt am Grundgesetz ansetzen

"Zum einen verwendet das Grundgesetz selbst an verschiedenen Stellen das generische Maskulinum. Trotz einer amtierenden Bundeskanzlerin und der zunehmenden Zahl von Ministerinnen kennt das Grundgesetz nach wie vor etwa nur den Bundeskanzler und die Bundesminister. Damit liefert das Grundgesetz, ebenso wie viele andere Gesetze, die rechtliche Argumentation, am generischen Maskulinum und dem historischen Status quo festzuhalten, denn, so der Bundesgerichtshof sinngemäß: Wenn das Grundgesetz selbst das generische Maskulinum verwendet und damit Frauen sprachlich ausschließt, können sich Frauen auch nicht auf den Schutz vor Diskriminierung in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG berufen. Die in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG formulierte Verpflichtung des Staates, Nachteile zulasten von Frauen zu beseitigen, läuft damit sprachlich ins Leere" so Wersig.

Redaktion beck-aktuell, 2. Juli 2020.