Prämiensparverträge: BGH benennt Zinssatz bei unwirksamen Zinsklauseln
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Der BGH hat entschieden, dass Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen mit unwirksamen Zinsklauseln auf Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit basieren müssen. Damit legt das Gericht erstmals einen Zinssatz für die Nachberechnung fest.

Bei Prämiensparverträgen erhalten Sparerinnen und Sparer zusätzlich zum variablen Zins eine meist nach Vertragslaufzeit gestaffelte Prämie. Je länger regelmäßige Sparbeiträge eingehen, umso höher fällt die Prämie aus. Viele dieser Verträge enthalten dabei Klauseln, die Geldhäusern einseitig das Recht einräumen, die zugesicherte Verzinsung nach Belieben zu ändern. Der BGH erklärte das bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig. Wie die Zinsen für diese Produkte stattdessen zu berechnen sind, war bisher aber nicht höchstrichterlich geklärt.

Zwei Verbraucherschutzverbände klagten mit Musterfeststellungsklagen vor dem OLG Dresden (Urteil vom 22.03.2023 - 5 MK 1/22) und dem OLG Naumburg (Urteil vom 08.02.2023 - 5 MK 1/20), ehe sie sich mit Revisionen an den BGH wandten. Sie begehrten insbesondere die Feststellung, dass die Zinsanpassungen auf der Grundlage von gleitenden Durchschnittswerten der letzten zehn Jahre der Umlaufsrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von 10 Jahren vorzunehmen sind. Sie forderten zudem gleitende Durchschnittswerte.

Eine risikofreiere Zinsanpassung maßgeblich

Nun hat der BGH wie die Vorinstanzen deutlich gemacht, dass entscheidend für die Zinsanpassung die Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit sind und beide Revisionen zurückgewiesen (Urteil vom 09.07.2024, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23). Die Regelungslücke, die infolge der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen entstanden ist, sei im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen, so der BGH. Die von den OLGs als Referenzzins herangezogenen Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von acht bis 15 Jahren genügten den Anforderungen, die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen sind, heißt es aus Karlsruhe.

Sparer würden bei Anwendung der sogenannten Gleitzinsmethode entgegen ihrer Erwartung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden, da künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend ihrem Zeitanteil einfließen.

Sparerinnen und Sparer verglichen im Rahmen ihrer Anlageentscheidung den ihnen angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins und nicht mit einem solchen, der aus überwiegend vergangenen Zinsen berechnet wird, so der BGH weiter. "Die von den Musterklägern als Referenzzins befürworteten Umlaufsrenditen spiegeln trotz ihrer Besicherung durch Pfandbriefe nicht den 'risikolosen' Marktzins wider, sondern enthalten einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führt", so das Gericht. Der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließt, zeige allerdings keinerlei Risikobereitschaft, so dass der im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende Referenzzins ebenfalls keinen Risikoaufschlag enthalten dürfe.

In einem der beiden Verfahren hat der XI. Zivilsenat darüber hinaus entschieden, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher nicht auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsklausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung beziehen muss, die höchstrichterlich festgelegt worden sind. Die Anspruchsinhaberinnen und Inhaber müssen nicht alles rechtlich zutreffend ergreifen, damit die Verjährung ihrer Ansprüche beginnt.

Verbraucherschützer appellieren an Sparkassen

Trotz der zurückgewiesenen Revision zeigten sich die Verbraucherverbände nach dem Urteil positiv gestimmt. Es sei ein guter Tag für geprellte Prämiensparer, kommentierte die Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Ramona Pop. "Der Bundesgerichtshof hat einen Maßstab festgelegt, wie Sparkassen falsch berechnete Verträge neu berechnen müssen." Nun müssten die Sparkassen tätig werden und Entschädigungen in die Wege leiten.

Bindend ist das Urteil nur für die beiden beklagten Sparkassen. Da es sich aber um Standardprodukte der Sparkassen handelt, könnten die Festlegungen des Gerichts aus Sicht der Verbraucherzentrale inhaltlich auch für Prämiensparverträge anderer Sparkassen gelten. Der BGH ließ offen, ob auch andere Referenzzinssätze für die Zinsanpassungen infrage kämen.

BGH, Urteil vom 10.07.2024 - VIII ZR 184/23

Redaktion beck-aktuell, js, 9. Juli 2024 (ergänzt durch Material der dpa).