Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hat bei einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die umstrittenen Justizgesetze seines Landes verteidigt. "Wir haben erläutert, was die Justizreform für uns bedeutet", sagte Morawiecki nach dem mehr als zweistündigen Treffen in Brüssel am 09.01.2018 vor polnischen Journalisten. Obwohl beide Seiten die freundliche Atmosphäre des Treffens lobten, gab Morawiecki Forderungen nicht nach, Gesetze zu ändern, durch die Brüssel die Unabhängigkeit der Justiz bedroht sieht. Polens nationalkonservativer Regierungschef warb vielmehr bei Juncker um Verständnis: "Unsere Absicht ist es, das System zu verbessern, gerechter und objektiver zu machen", sagte Morawiecki.
Verlust der Stimmrechte im Ministerrat droht
Polens Justizsystem sei seit Zeiten des Kommunismus nicht reformiert worden, viele Richter seien korrupt, argumentiert die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS. Die EU-Kommission sieht dagegen durch den Umbau des Verfassungsgerichts und der für die Richterwahl zuständigen Justizbehörden die Unabhängigkeit von Juristen bedroht und leitete erstmals in der Geschichte der Gemeinschaft das Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge ein, durch das Polen sogar seine Stimmrechte im Ministerrat verlieren kann.
Keine Einigung im Streit um Flüchtlingsaufnahme
Morawiecki zeigte sich auch im Streit um die Flüchtlingsaufnahme unnachgiebig, die Polen nach wie vor vehement verweigert: "Wir bleiben bei unserem Standpunkt", sagte Morawiecki nach Angaben der Agentur PAP.
Redaktion beck-aktuell, 10. Januar 2018 (dpa).
Aus der Datenbank beck-online
Niezgódka, Justizreform in Polen: Angriff der Exekutive auf die Justiz, NJ 2017, 360
von Bonin, Die Rechtsstaatsunion in Gefahr?, EuZW 2017, 785
Leppich, Justizkrise in Polen verschärft sich, DRIZ 2017, 270
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