Polens oberste Gerichtsvorsitzende wehrt sich gegen Pensionierung

Die Vorsitzende des Obersten Gerichts in Polen, Malgorzata Gersdorf, hat ihre erzwungene Pensionierung durch die nationalkonservative Regierung vorerst ignoriert. Die 65-Jährige erschien am 04.07.2018 an dem Warschauer Gericht, obwohl für sie nach einem neuen Gesetz der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS am gleichen Tag der Ruhestand begann. "Ich trete als Verteidigerin des Rechtsstaats auf", sagte Gersdorf vor rund 1.500 Menschen, die gegen Zwangspensionierungen von hohen Richtern protestierten. Gersdorf zufolge ist die Amtszeit der Juristen verfassungsrechtlich geschützt und kann von den Regierenden nicht gekürzt werden.

Pensionierung nur auf Antrag hinauszögerbar

Nach einem umstrittenen Gesetz der Nationalkonservativen müssen Richter des Obersten Gerichts in Polen seit dem 04.07.2018 bereits mit 65 statt – wie bisher – 70 Jahren in den Ruhestand gehen. Wer im Amt bleiben will, muss dies im Vorfeld bei Staatspräsident Andrzej Duda beantragen. Dies taten laut Gerichtsangaben 16 der von den neuen Pensionierungsvorschriften betroffenen Richter. Bis Duda über ihre Anträge entscheidet, bleiben sie laut Präsidentenkanzlei im Amt. Elf Juristen, die nun keinen Antrag stellten, gingen laut Präsidentenkanzlei in Pension – dazu zählt demnach auch Gersdorf.

Einschnitte in Unabhängigkeit polnischer Justiz befürchtet

Kritiker befürchten, die Regierenden könnten durch die früheren Pensionierungen missliebige Richter aus dem Amt entfernen. Auch die EU-Kommission warnte vor Einschnitten in die Unabhängigkeit der polnischen Justiz. Die EU-Behörde, die bereits ein Sanktionsverfahren wegen Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen führt, leitete am 02.07.2018 ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Redaktion beck-aktuell, 4. Juli 2018 (dpa).

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