Polen will Justizreform ohne Rücksicht auf EU durchziehen

Polens Vize-Justizminister Sebastian Kaleta hat dazu aufgerufen, die umstrittene Justizreform ohne Rücksicht auf Kritik der EU durchzuziehen. Dies sei notwendig, um "zunehmende Anarchie und das bewusste Untergraben der Gewaltenteilung" zu bremsen, schrieb der Politiker am 16.09.2020 auf Twitter. Die Justiz mische sich unzulässig in politische Entscheidungen ein. "Gerichte sollen nicht selbst Gesetze machen, sondern sie anwenden!"

Warschauer Gericht hatte Rechtsverstoß des Ministerpräsidenten festgestellt

Am 15.09.2020 hatte das Verwaltungsgericht Warschau entschieden, dass der zur nationalkonservativen Partei PiS gehörende Ministerpräsident Mateusz Morawiecki "eklatant" gegen gültige Gesetze verstoßen hat. Er hätte die Post für die Präsidentschaftswahl am 28.06.2020 nicht zur Organisation einer Briefwahl verpflichten dürfen, ohne zuvor eine rechtliche Grundlage zu schaffen, so die Richter. Und am 16.09.2020 stoppte das Oberste Gericht ein Reformgesetz, mit dem Beamten des ehemaligen kommunistischen Sicherheitsapparats die Renten gekürzt werden sollen.

Justizreform Streitthema mit EU

Die von der Regierungspartei PiS seit ihrem Amtsantritt Ende 2015 angestoßene Justizreform ist ein zentraler Streitpunkt zwischen Polen und EU. Justizminister Zbigniew Ziobro argumentiert, das Justizsystem sei ineffizient und obendrein ein Relikt der kommunistischen Diktatur. Kritiker werfen der Regierung wiederum vor, die Kontrolle über die Justiz übernehmen zu wollen.

Redaktion beck-aktuell, 18. September 2020 (dpa).