Abgeordnete hatten bisherige Gesetzeslage kritisiert
Das Gericht habe mit einer Mehrheit der Senatsmitglieder entschieden, gab die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Julia Przylebska, bekannt. 2 der 13 Richter gaben eine abweichende Meinung ab. Mehr als 100 Abgeordnete, überwiegend aus den Reihen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), hatten sich mit ihrer Kritik an der Gesetzeslage an das höchste Gericht gewandt. Im Jahr 2019 wurden in polnischen Krankenhäusern nur rund 1.100 Schwangerschaftsabbrüche ausgeführt - in 97% der Fälle aufgrund des nun für rechtswidrig erklärten Paragrafen. Schwangerschaftsabbrüche bleiben jetzt nur noch nach Vergewaltigungen möglich oder wenn das Leben oder die Gesundheit der Mutter in Gefahr sind.
Kritik: "Institutionalisierte Gewalt des Staates gegen Frauen"
Frauenrechtsorganisationen kritisierten das Urteil. Die Zahl der illegalen Abtreibungen mit gefährlichen Methoden werde damit steigen. Krystyna Kacpura von der Organisation für Frauenrechte und Familienplanung sagte: "Es ist grausam und verstößt gegen Menschenrechte, wenn Frauen gezwungen werden, eine Schwangerschaft zu Ende zu führen, obwohl der Fötus schwer geschädigt ist." Das sei "institutionalisierte Gewalt des Staates gegen Frauen". Die Organisation geht davon aus, dass jedes Jahr 120.000 bis 150.000 polnische Frauen in Nachbarländer ausweichen, in denen es liberalere Gesetzgebungen gibt. In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn eine Beratung stattgefunden hat und eine dreitägige Bedenkfrist eingehalten wurde. Auch Ärztegruppen protestierten gegen die Entscheidung des Gerichts. Sie setze das Leben und die Gesundheit schwangerer Frauen aufs Spiel, hieß es. Mehr als 900 Ärzte unterzeichneten vor dem Urteil einen entsprechenden Appell.
Legitimität des Verfassungsgerichts angezweifelt
Die Opposition zweifelt an der Legitimität des Verfassungsgerichts. Die EU-Kommission hatte 2017 ein Sanktionsverfahren nach Art. 7 der EU-Verträge gegen Polen eingeleitet, weil sie den dortigen Rechtsstaat bedroht sieht. Die bisherige Abtreibungsgesetzgebung ging auf einen Kompromiss aus dem Jahr 1993 zurück, mit dem sich in einer Umfrage von 2019 die Hälfte der Polen zufrieden erklärte.