Polen: Holocaust-Forschende müssen sich doch nicht entschuldigen

Ein Gerichtsurteil aus dem Februar, in dem die Historikerin Barbara Engelking und der Historiker Jan Grabowski in Warschau dazu verurteilt worden waren, sich für Ungenauigkeiten in einem Buch zu entschuldigen, wurde vom Berufungsgericht gekippt. In einer gemeinsamen Stellungnahme auf Grabowskis Twitter-Account zeigten sich die beiden zufrieden. “Dieses Urteil hat direkte Auswirkungen auf alle polnischen Wissenschaftler, besonders auf Holocaustforscher“, schrieben sie.

Gesetz in Polen tabuisiert polnische Mitwirkung am Holocaust

In ihrem 2018 erschienenen Buch “Dalej jest noc»“ (“Und immer noch ist Nacht“) hatten sich die Wissenschaftler mit der Vernichtung der Juden in der polnischen Provinz unter deutscher Besatzung befasst. Sie wurden von der Nichte eines früheren Ortsvorstehers aus Ostpolen verklagt. Die Frau sah die Erinnerung an ihren Onkel diffamiert, weil die Historiker schrieben, er sei mitschuldig am Tod von mehr als 20 im Wald versteckten Juden gewesen, die den Deutschen übergeben worden seien. Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem hatte damals betont, jeder Versuch, akademischen oder öffentlichen Diskurs durch politischen oder juristischen Druck einzuschränken, sei inakzeptabel. Polen hatte 2018 in einem umstrittenen Gesetz die Andeutung einer Mitwirkung oder Mitverantwortung von Polen am Holocaust unter Strafe gestellt.

Polen stemmt sich mit neuen Gesetzen gegen Vergangenheitsbewältigung

Vor allem in Israel war dies scharf kritisiert worden, ähnlich wie die Änderung des polnischen Verwaltungsrechts in der vergangenen Woche, nach dem Verwaltungsentscheidungen nach 30 Jahren nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Israel befürchtet damit ein Ende der Entschädigungen für Enteignungen von Juden im Gefolge des Holocausts. Die Verabschiedung des Gesetzes in der vergangenen Woche hat eine diplomatische Krise zwischen beiden Ländern ausgelöst. Jetzt begrüßte Yad Vashem die Aufhebung des umstrittenen Urteils. Die Entscheidung unterstreiche die Bedeutung der "unvoreingenommenen Freiheit der Erforschung des Holocaust", teilte Yad Vashem am Dienstag mit.

Redaktion beck-aktuell, 17. August 2021 (dpa).