Polen: Gesetz zur Richter-Disziplinierung passiert Parlament

Das polnische Parlament hat das umstrittene Gesetz zur Disziplinierung von Richtern verabschiedet. Bei der Entscheidung am 23.01.2020 überstimmte die nationalkonservative Regierungspartei PiS mit ihrer Mehrheit im Sejm, der ersten Kammer des Parlaments, ein Votum des Senats. Diese zweite Kammer des Parlaments wird von der Opposition dominiert. Sie hatte den Gesetzentwurf der PiS zunächst abgelehnt. Noch vor der Abstimmung in Warschau behielt sich EU-Justizkommissar Didier Reynders Gegenmaßnahmen vor.

Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung drohen

Das Gesetz sieht vor, dass Richter mit Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung rechnen müssen, wenn sie die Entscheidungskompetenz oder Legalität eines anderen Richters, einer Kammer oder eines Gerichts infrage stellen. Auch dürfen sie sich nicht politisch betätigen. Kritiker sprechen von einem "Maulkorb-Erlass". Sie befürchten, das Gesetz werde die richterliche Unabhängigkeit weiter untergraben.

Justizwesen wird weiter umgebaut

Die in Polen regierende PiS hat in den vergangenen Jahren das Justizwesen umgebaut. Die EU-Kommission hat wegen strittiger Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht.

Gespräche mit Vertretern des polnischen Justizministeriums geplant

Noch vor der Abstimmung im Parlament behielt sich EU-Justizkommissar Didier Reynders mögliche Gegenmaßnahmen vor. Die EU-Kommission werde den endgültigen Gesetzestext analysieren und sei jederzeit bereit, zu reagieren, sagte der Belgier bei einem Treffen der EU-Justizminister in Zagreb. Dabei werde auch die Bewertung der Venedig-Kommission eine Rolle spielen. Außerdem seien schon für den 24.01.2020 Gespräche mit Vertretern des polnischen Justizministeriums geplant.

EU-Kommission beantragt einstweilige Verfügung

Die Europäische Kommission will derweil eine einstweilige Verfügung gegen Polen erreichen. Die Brüsseler Behörde habe einen entsprechenden Antrag beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingereicht, teilte der EuGH am 24.01.2020 mit. Die Kommission wacht über die Einhaltung der EU-Verträge und hatte den Schritt gegen Polen schon vor zehn Tagen angekündigt. Die beantragten "einstweiligen Maßnahmen" hängen mit einem Vertragsverletzungsverfahren zusammen, das die Kommission bereits seit einiger Zeit zu den Disziplinierungsregeln für polnische Richter in Gang gesetzt hat.

Rebehn: Tiefpunkt für Justiz in Polen

Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, nannte die Novelle einen Tiefpunkt für die Justiz in Polen. "Das umstrittene Disziplinargesetz schränkt die Grundrechte der Richter auf freie Meinungsäußerung ein, untergräbt die Unabhängigkeit der Justiz und versucht, die Gerichte unter den Einfluss der Regierung zu bringen."

Staatspräsident hat Unterzeichnung angekündigt

Das Gesetz soll nun Präsident Andrzej Duda vorgelegt werden, der aus den Reihen der PiS stammt. Laut seinem Staatssekretär hat Duda bereits gesagt, dass er das Gesetz unterschreiben werde, da er die darin vorgesehenen Änderungen für nötig halte.

Redaktion beck-aktuell, 24. Januar 2020 (dpa).

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