Das polnische Verfassungsgericht will sich erst am 22.09.2021 mit der Frage befassen, ob das polnische Grundgesetz über EU-Recht steht. Die für heute angesetzte Sitzung sei verschoben worden, damit sich das Gericht mit dem Antrag des Menschenrechtsbeauftragten Marcin Wiacek auf Ausschluss eines Richters befassen könne, sagte die Gerichtspräsidentin Julia Przylebska in Warschau.
EuGH verurteilte Polen wegen Justizreform und stellte Vorrang des EU-Rechts fest
Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte die Verfassungsrichter gebeten, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom März zu überprüfen. Darin hatten die obersten EU-Richter festgestellt, dass EU-Recht Mitgliedsstaaten zwingen kann, einzelne Vorschriften im nationalen Recht außer Acht zu lassen. Das gelte demnach selbst dann, wenn es sich um Verfassungsrecht handele.
Zweifel an der Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichts
Die EU-Kommission hat wegen der Reformen des polnischen Justizsystems bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Unter anderem hat die Brüsseler Behörde auch Zweifel an der Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichts. Die Vorsitzende Julia Przylebska ist eine enge Vertraute von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski.
Redaktion beck-aktuell, 31. August 2021 (dpa).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
EuGH, Verstoß gegen EU-Recht durch die Rechtsänderungen der Republik Polen in Bezug auf die Justizstruktur und die Richterernennung, BeckRS 2021, 3004
Möllers, Das PSPP-Urteil des BVerfG und die Europäische Rechtsunion, EuZW 2020, 503
Werner, Hoher Druck auf Justiz in Polen - Karlsruher Paukenschlag, DRiZ 2020, 126
von Bogdandy, Tyrannei der Werte? Herausforderungen und Grundlagen einer europäischen Dogmatik systemischer Defizite, ZaöRV 2019, 503
Brauneck, Gefährdung des EU-Haushalts durch rechtsstaatliche Mängel in den Mitgliedstaaten?, EuR 2019, 37
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Polen: Verfassungsgericht hält EuGH-Anordnungen zur Justiz für nicht bindend, Meldung der beck-aktuell Redaktion vom 15.07.2021, becklink 2020381
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