Polen entschärft umstrittenes Holocaust-Gesetz

Nach einem heftigen diplomatischen Streit mit Israel entschärft Polens Regierung ihr umstrittenes Holocaust-Gesetz. Beide Parlamentskammern Sejm und Senat stimmten am 27.06.2018 in Warschau dafür, die bisher vorgesehenen Strafmaßnahmen von bis zu drei Jahren Haft aus dem Gesetz zu streichen. Nach Angaben der Regierenden hätten sie vom eigentlichen Ziel des Gesetzes, der Verteidigung des guten Namens Polens, abgelenkt. "Das Ziel ist und bleibt der Kampf um die Wahrheit in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit", sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu begrüßte die Änderung.

Netanjahu sieht "historische Wahrheit" sichergstellt

Die "historische Wahrheit" über den Holocaust sei damit sichergestellt, sagte Netanjahu am Abend in einer vom Fernsehen übertragenen Erklärung. Journalisten, Forscher und Holocaust-Überlebende sowie ihre Familien müssten nun keine rechtlichen Folgen fürchten, wenn sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Holocaust ausübten.    

Zuvor tiefe diplomatische Krise zwischen Israel und Polen

Das im Januar 2018 verabschiedete Gesetz sah Geld- und Haftstrafen für diejenigen vor, die dem polnischen Staat oder Volk "öffentlich und entgegen den Fakten" die Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen des Nazi-Regimes zuschreiben. Es hatte eine tiefe diplomatische Krise zwischen Israel und Polen ausgelöst.

Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem lobt Schritt in richtige Richtung

Der Jüdische Weltkongress lobte die Änderung in dem Gesetzestext. Man sei "zufrieden, dass die polnische Regierung die Unhaltbarkeit des neuen Holocaust-Gesetzes erkannt hat". Die Regierung habe nun die angemessenen Schritte ergriffen, um eine "der problematischsten und gefährlichsten Klauseln" zu ändern. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem bezeichnete den Schritt als "eine positive Entwicklung in die richtige Richtung". "Wir glauben, dass der richtige Weg für die Bekämpfung von historischen Falschdarstellungen darin besteht, offene und freie Forschung sowie Bildungsaktivitäten zu verstärken", hieß es in einer Stellungnahme.

Kritiker: Auch Polen haben Verbrechen an Juden begangen

Kritiker warfen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor, von Polen begangene Verbrechen an Juden vertuschen zu wollen. Polens Regierung argumentierte, sie wolle unter anderem historisch falsche Ausdrücke wie "polnische Todeslager" unterbinden. "Wir haben immer darin übereingestimmt, dass der Ausdruck 'Polnische Konzentrations- und Todeslager' offenkundig falsch ist und die Verantwortung (Nazi-)Deutschlands für die Errichtung solcher Lager schmälert", sagte dazu Netanjahu. "Wir weisen alle Vorstöße zurück, die darauf abzielen, Polen oder dem polnischen Volk als Ganzem die Schuld für die Gräueltaten der Nazis und ihrer Kollaborateure verschiedener Nationen anzulasten."  

Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts über Gesetz steht noch aus

Präsident Andrzej Duda hatte das Gesetz zwar unterschrieben, aber zur Prüfung an das Verfassungsgericht gegeben. Ein Urteil des Gerichts steht bisher aus. Die von Morawiecki überraschend vorgestellten Gesetzesänderungen, die nur noch Duda unterschreiben muss, kommen dem Gerichtsurteil nun zuvor. 

Nachbesserungen sollen Beziehungen zu Israel und USA verbessern

Die Nachbesserungen am Gesetz sollten die Beziehungen zu Israel und den USA verbessern, sagte Morawiecki. Ein Eingeständnis eines Fehlers ist die Änderung seiner Ansicht nach aber nicht. Die Debatte über das Gesetz habe Wissen und Bewusstsein in Sachen historischer Wahrheit zum Zweiten Weltkrieg erhöht, meinte Morawiecki.

Redaktion beck-aktuell, 28. Juni 2018 (dpa).

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