Pflicht zu Vorkehrungen zur Fristenkontrolle im Krankheitsfall

Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, für den Krankheitsfall Vorkehrungen für die Einhaltung von Fristen zu treffen. Bei einer Erkrankung muss er alles zur Fristwahrung unternehmen, soweit es ihm gesundheitlich zumutbar ist. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21.07.2020 entschieden.

Fristenkontrolle versäumt

Eine Sportlerin verlangte in einem Schadensersatzprozess die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Das LG Berlin hatte ihr das Urteil am 27.08.2018 zugestellt. Ihre Anwältin hatte zunächst fristgerecht Berufung eingelegt. Am 22.11.2018 beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung: Unmittelbar vor Ablauf der Begründungsfrist sei ihre Bevollmächtigte am 27.10. nach einem Sturz stationär aufgenommen und erst am 07.11. aus dem Krankenhaus entlassen worden. Arbeitsfähig sei diese erst ab dem 20.11. wieder gewesen. Die Frist war nicht im Fristenkalender eingetragen worden. Das KG teilte der Mandantin mit, dass eine Verwerfung der Berufung wegen Nichteinhaltung der Begründungsfrist beabsichtigt sei, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Ihre Anwältin erklärte daraufhin, dass sie die Frist für sich notiert habe. Sie habe beabsichtigt, die Begründung am Wochenende ihres Sturzes zu schreiben, und im Übrigen darauf vertraut, dass sich auch ihre stets zuverlässige Büroangestellte die Frist im Kalender notiert habe. Die Berufung hatte gleichwohl vor dem KG keinen Erfolg: Die Anwältin hätte ihr Personal zur Überprüfung der von ihr selbst notierten Fristen anhalten müssen. Ein krankheitsbedingter Ausfall rechtfertige keine Ausnahme von dieser Sorgfaltspflicht.

BGH: Gegenkontrolle erforderlich

Das sah der BGH genauso und verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Aus Sicht der Karlsruher Richter ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die versäumte Frist auf einem der Mandantin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Verschulden ihrer Anwältin beruhe, nicht zu beanstanden. Sie habe nicht glaubhaft dargelegt, dass ihre Bevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen habe, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden. Dem BGH zufolge war nicht ersichtlich, dass die Juristin die gebotenen allgemeinen Vorkehrungen für einen unvorhergesehenen Krankheitsfall getroffen hatte. Für diesen Fall hätte sie ihre Bürokraft im Vorfeld allgemein anweisen müssen, auch den von ihr selbst geführten Fristenkalender zu kontrollieren und sie auf einen drohenden Fristablauf hinzuweisen. Entscheidend war aus Sicht des VI. Zivilsenats, dass ihr bei Vorlage der Handakte hätte auffallen müssen, dass die Frist zur Berufungsbegründung gar nicht eingetragen worden war. Der Umstand, dass sie die Fristen selbst in ihrem Kalender notiert und überwacht habe, ändere nichts an ihrer Sorgfaltspflicht. Die Bundesrichter wiesen darauf hin, dass die Anwältin sich außerdem trotz ihrer Erkrankung um eine Fristverlängerung hätte bemühen müssen. Sie habe einen Wadenbeinbruch erlitten und sei somit immobil gewesen. Aber es sei nicht erkennbar, dass sie nicht im Büro habe anrufen und einen Aufschub in die Wege leiten können. 

BGH, Beschluss vom 21.07.2020 - VI ZB 25/19

Redaktion beck-aktuell, 30. September 2020.