Pflegereform: Lauterbach kündigt höheren Beitrag ab Juli und Entlastungen für 2024 an

Wegen stark steigender Kosten für die Pflege sollen Entlastungen für Pflegebedürftige kommen – aber auch höhere Beiträge. Zur Sicherung der finanziellen Stabilität der Pflegeversicherung und vorgesehener Leistungsanpassungen könnte der Beitragssatz zum 01.07.2023 "moderat um 0,35 Prozentpunkte" angehoben werden, geht aus einem Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums hervor. Von Opposition, Krankenkassen und auch aus der Koalition kam Kritik.

Höhere Beiträge angekündigt

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat eine Pflegereform für dieses Jahr angekündigt und ließ schon erkennen, dass zum Finanzieren von Leistungsverbesserungen auch höhere Beiträge nötig sein werden. SPD, FDP und Grüne hatten im Koalitionsvertrag verabredet, den Beitrag "moderat" anzuheben. Denn vielen der rund 4,9 Millionen Pflegebedürftigen machen seit Jahren immer höhere Kosten zu schaffen. Zuletzt verschärfte die Inflation die Lage. Und in der alternden Gesellschaft kommen absehbar mehr pflegebedürftige Menschen dazu. Über die Gesetzespläne laufen derzeit Abstimmungen in der Regierung, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am 24.02.2023 in Berlin sagte. Der dpa liegt ein Überblick über die Kernpunkte des Referentenentwurfs vor. Zunächst berichteten auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und weitere Medien darüber.

Über Zuschüsse aus Bundesetat noch nicht entschieden

Aktuell liegt der Beitragssatz bei 3,05%, für Menschen ohne Kinder bei 3,4%. Kommt es so wie im Entwurf, würde der Beitragssatz ab 01.07.2023 auf 3,4% des Bruttolohns steigen und für Kinderlose auf 3,75%. Das ergäbe für 2023 noch 3,15 Milliarden Euro extra und von 2024 an jährliche Mehreinnahmen von 6,6 Milliarden Euro. Ob weitere Zuschüsse aus dem Bundesetat kommen, ist offen, wie auch die Union monierte. "Anderenfalls bleiben allein die Beitragszahler auf den Kosten sitzen", warnte der Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU). Das Ministerium hielt sich auf Nachfrage bedeckt, die Verhandlungen über den nächsten Haushalt laufen in der Bundesregierung aber gerade.

Laut BVerfG Besserstellung größerer Familien nötig

Geplant sind auch Änderungen je nach Zahl der Kinder. Umzusetzen ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach Eltern mit mehreren Kindern besser gestellt werden müssen als kleine Familien und Kinderlose (NJW 2022, 2169). Der Entwurf sieht dazu laut dpa vor, den Kinderlosenzuschlag von 0,35 auf 0,6 Prozentpunkte anzuheben. So läge der Gesamtbeitrag für sie dann bei 4,0%. Bei Familien könnten beginnend mit dem zweiten Kind gestaffelte Abschläge vom regulären Satz von künftig 3,4% kommen: Bei zwei Kindern wären es 3,25%, bei drei Kindern 3,1%, bei vier Kindern 2,95%.

Anstieg des Pflegegeldes um 5% vorgesehen

Pflegebedürftige zu Hause und im Heim sollen 2024 finanzielle Verbesserungen erhalten. Das zuletzt 2017 erhöhte Pflegegeld soll nun laut Entwurf zum 01.01.2024 um 5% steigen, genauso wie Geld für Sachleistungen. Pflegegeld wird als Unterstützung gezahlt, wenn Pflegebedürftige nicht in Einrichtungen sind. Sie können es frei verwenden, etwa für Betreuung. Je nach Pflegegrad liegt es zwischen 316 und 901 Euro im Monat. Der Chef der Krankenkasse DAK, Andreas Storm, nannte ein 5%-Plus "völlig inakzeptabel". Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einem "Tropfen auf dem heißen Stein" nach deutlich höheren Kostensteigerungen seit 2017.

Reduzierung des Eigenanteils für reine Pflege im Heim

Für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen gehen Zuzahlungen seit Jahren nach oben – auch mit 2022 eingeführten Entlastungszuschlägen, die mit der Pflegedauer steigen. Sie sollen laut Entwurf ab 01.01.2024 angehoben werden. Den Eigenanteil für die reine Pflege soll dies im ersten Jahr im Heim um 15 statt bisher 5% drücken, im zweiten um 30 statt 25%, im dritten um 50 statt 45% und ab dem vierten Jahr um 75 statt 70%. Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten für die reine Pflege trägt. Im Heim kommen Zahlungen für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen dazu.

Automatische Dynamisierung von Geld- und Sachleistungen geplant

Vorgesehen ist auch ein Mechanismus, um Geld- und Sachleistungen regelmäßig zu erhöhen. Zum 01.01.2025 soll laut Entwurf ein Plus von 5% kommen. Zum 01.01.2028 sollen die Leistungen dann "regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert" werden.

Schwierige Beratungen innerhalb der Koalition zu erwarten

Die weiteren Beratungen der Koalition könnten noch schwierig werden. Die Grünen zeigten sich "enttäuscht" von dem Entwurf. Nötig wäre es, der Pflegeversicherung Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen wie Corona-Kosten und Rentenbeiträge für Angehörige zu erstatten, sagte Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sei zumindest zu schrittweisen Lösungen in der Pflicht. Das würde diesen "deutlichen Beitragssprung" vermeiden. Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen mahnte, gesamtgesellschaftliche Verpflichtungen könne man nicht allein den Pflegebedürftigen aufbürden.

Redaktion beck-aktuell, Sascha Meyer, 27. Februar 2023 (dpa).