Patentstreit um GPRS-Technik entschieden

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 05.05.2020 den Patentstreit um den Datendienst GPRS zugunsten der Patentinhaberin entschieden. Der Kartellsenat nutzte die Gelegenheit, um die gegenseitigen Pflichten potenzieller Lizenzvertragspartner in Bezug auf ein standardessentielles Patent (SEP) näher zu definieren.

Lizenzvertrag kam nicht zustande

Die Patentinhaberin hatte eine Schnittstelle für die Kommunikation von mobilen Endgeräten entwickelt. Es handelte sich um den GPRS-Standard (General Packet Radio Service), eine Technologie von grundlegender Bedeutung. Dies sind solche Technologien, die für die Nutzung eines verbreiteten Industriestandards erforderlich sind. Die Erfinderin wies die beklagten Mobilfunkgerätehersteller auf die Verletzung dieses Patents hin und erklärte ihre Bereitschaft, das Klagepatent und weitere betroffene Patente (Patentportfolio) zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden (FRAND) Bedingungen zu lizensieren. Erst nach über einem Jahr reagierten die Beklagten und forderten, die Patentinhaberin möge darlegen, warum sie neben dem Klagepatent weitere Patente verletzt sehe; vorher würden sie keine Lizenz nehmen. Die Patentinhaberin nahm die Mobilfunkgerätehersteller daraufhin wegen Unterlassung, Auskunft, Vernichtung und Rückruf sowie Schadenersatz in Anspruch. Nach Ablauf der Schutzdauer am 25.09.2016 erklärte sie die Unterlassungsklage für erledigt und beschränkte die weiteren Anträge auf Geräte, die vor dem Patentablauf hergestellt wurden. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich, vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf jedoch nicht, sodass die Patentinhaberin nunmehr vor dem BGH die Wiederherstellung des Landgerichturteils erstrebte.

Verzögerungstaktik der Gerätehersteller

Der BGH bewertet das Verhalten der Beklagten als Verzögerungstaktik: Die Gerätehersteller hätten die Lizenzverhandlungen so lange wie möglich hinausgezögert, damit das Patent abläuft und sie es kostenfrei nutzen könnten. Sie seien niemals zu einem Lizenzvertrag bereit gewesen. Die Patentinhaberin hingegen habe mit der Abgabe der Erklärung, dass sie einen Lizenzvertrag schließen will, alles Erforderliche getan, so der Kartellsenat. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur ausführlichen Darlegung der Portfolio-Patentverletzung bestehe nicht. Eine Klage auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung der Produkte drei Jahre nach Vertragsangebot sei keine rechtsmissbräuchliche Verletzung einer marktbeherrschenden Stellung der Patentinhaberin, so die Richter.

Pflichten der potenziellen Vertragspartner

Die Richter legen die gegenseitigen Pflichten der Patentparteien, sich um den Abschluss eines Vertrags zu bemühen, in Leitsätzen wie folgt fest: Die Klage auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung gegen den Patentverletzer kann missbräuchlich sein, wenn sich der Patentinhaber seinerseits nicht hinreichend um das Zustandekommen eines Lizenzvertrages bemüht. Hat der Verletzer sein Interesse am Lizenzvertrag eindeutig bekundet, muss der Patentinhaber seine Forderung insoweit begründen, um dem Lizenzwilligen eine Missbrauchsprüfung der marktbeherrschenden Stellung zu ermöglichen. Das Angebot eines Portfoliovertrages, welches an das standardessentielle Patent gekoppelt ist, ist kartellrechtlich nicht von vorneherein bedenklich.

BGH, Urteil vom 05.05.2020 - KZR 36/17

Redaktion beck-aktuell, 8. Juli 2020.