Pariser Gericht verurteilt Ex-Leichtathletikchef Lamine Diack zu Haftstrafe

Im Korruptionsprozess gegen den früheren Chef des Leichtathletik-Weltverbands IAAF Lamine Diack hat ein Pariser Gericht am 16.09.2020 gegen den 87-jährigen Senegalesen vier Jahre Haft verhängt, von denen zwei auf Bewährung ausgesetzt wurden, wie die Finanzstaatsanwaltschaft bestätigte. Außerdem muss er eine Geldstrafe von 500.000 Euro und zusammen mit weiteren Verurteilten mehrere Millionen Euro Schadenersatz an den IAAF zahlen.

Diack legt Berufung ein

“Da wurde klare Kante gezeigt, dass Selbstbedienungsmentalität und Willkürherrschaft im internationalen Sport nicht akzeptiert wird“, sagte Clemens Prokop, der damals Präsident des deutschen Verbandes gewesen ist. Diack legte über seinen Anwalt nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP Berufung gegen die Entscheidung ein und kam nach der Urteilsverkündung auf freien Fuß. Ob Diack wirklich in Haft kommt, ist offen. Aufgrund seines Gesundheitszustands kann er laut Urteil eine bedingte Haftentlassung beantragen. Das frühere Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees war 2015 in Paris verhaftet worden und stand seitdem unter Hausarrest.

Millionen für Vertuschung positiver Doping-Tests

Die Staatsanwaltschaft hatte für Lamine Diack im Juni eine Gefängnisstrafe von vier Jahren und die maximale Geldstrafe von 500.000 Euro gefordert. Er war wegen Betrugs, Korruption, Veruntreuung und Geldwäsche angeklagt worden. Diack, sein Sohn Papa Massata und die weiteren Angeklagten müssen außerdem mehrere Millionen Schadensersatz zahlen. In seiner Amtszeit von 1999 bis 2015 als IAAF-Präsident soll Lamine Diack laut Staatsanwaltschaft direkt oder indirekt mehrere Millionen Euro vorwiegend von russischen Athleten für die Vertuschung von positiven Doping-Tests erpresst haben. Mehrere Athleten konnten dadurch bei den Olympischen Spielen 2012 in London starten und Gold gewinnen.

DOSB-Präsident hält Bestrafung für zu milde

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, erscheint das Urteil in diesem “so verabscheuungswürdigen Fall“ eher “zu mild als zu hart“ zu sein. Nach der jahrelangen Hängepartie rund um den “Diack-Clan“ und die gravierenden Verstöße gegen Gesetze und die Werte des Sports sei es dennoch ein “guter Tag für den Weltsport“. “Wer mit höchster krimineller Energie Athleten erpresst, den Anti-Doping-Kampf unterläuft und das Fair-Play mit Füßen tritt, kann nicht damit rechnen, ungeschoren davonzukommen“, betonte Hörmann.

Vorsitzende des Sportausschusses Freitag hofft auf Signalwirkung

“Viele werden mit mir gemeinsam Erleichterung und Genugtuung zugleich verspüren: endlich geht es den Kriminellen im internationalen Sport für alle sichtbar an den Kragen“, lautete der Kommentar von Dagmar Freitag (SPD), der Vorsitzenden des Sportausschusses des Bundestages. “Dieses Urteil wird hoffentlich Signalwirkung bis auf die nationale Ebene haben: nur staatliche Ermittlungsbehörden haben die Möglichkeiten und auch die Kraft, den Sumpf aufzudecken“, erklärte sie. Das passe zum ebenfalls begonnenen Prozess in München gegen den Erfurter Arzt Mark S., der über Jahre Blutdoping praktiziert hat.

Sohn Diacks in Abwesenheit verurteilt

Härter als sein Vater ist der Sohn, Papa Massata Diack, bestraft worden. Er wurde AFP zufolge in Abwesenheit zu fünf Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von einer Million Euro verurteilt. Papa Massata hatte sich in den Senegal zurückgezogen, der ihn trotz eines Haftbefehls von Interpol nicht ausliefern will. Kurz vor dem Urteilsspruch hatte er die Beschuldigungen als “größte Lüge des Weltsports“ bezeichnet.

Weitere Hintermänner erhielten ebenfalls Haftstrafen

Zu Freiheitsstrafen mit Bewährung wurden weitere Hintermänner der Machenschaften verurteilt: Unter anderen der Anwalt Habib Cisse (3 Jahre Haft/davon 2 Jahre auf Bewährung) und der Ex-Leiter der Anti-Doping-Abteilung des Weltverbandes IAAF (heute World Athletics), Gabriel Dolle (2 Jahre auf Bewährung). Lamine Diack galt als einer der einflussreichsten Spitzenfunktionäre, In seiner Ära profitierte er vor allem von Supersprinter Usain Bolt, der der Leichtathletik großen Glanz verliehen hatte. Die Affäre um den früheren Bürgermeister von Dakar sowie der Skandal um systematisches Doping in Russland haben den Ruf der olympischen Königssportart immens geschädigt. Sein britischer Nachfolger Sebastian Coe, langjähriger Vizepräsident unter Diack, reformierte den Weltverband - und hat ihm auch als Signal eines Neuanfangs den neuen Namen World Athletics gegeben.

Redaktion beck-aktuell, Julia Naue und Andreas Schirmer, 17. September 2020 (dpa).