OVG Weimar: Oberbürgermeister muss neuem Stadtrat die Hand schütteln

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht in Weimar hat in zwei Entscheidungen die Thüringer Kommunalordnung ausgelegt. Danach muss der Oberbürgermeister in Thüringen die Verpflichtung eines neu gewählten Stadtratsmitgliedes durch Handschlag bestätigen (Urteil vom 03.05.2019, Az.: 3 KO 620/18, nicht rechtskräftig). Außerdem können Mitglieder verschiedener Parteien sich auf kommunaler Ebene zu einer Fraktion im Gemeinderat zusammenschließen (Beschluss vom 07.05.2019, Az.: 3 ZKO 46/16, unanfechtbar).

Oberbürgermeisterin verweigerte vorgesehenen Handschlag

In dem einen Klageverfahren (Az.: 3 KO 620/18) war zwischen den Beteiligten umstritten, ob die Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach dem bei der Kommunalwahl 2014 in den Stadtrat gewählten Kläger im Zuge seiner Verpflichtung als Mitglied des Stadtrats den Handschlag verweigern durfte. § 24 Abs. 2 der Thüringer Kommunalordnung bestimmt: "Die Gemeinderatsmitglieder sind in der ersten nach ihrer Wahl stattfindenden Sitzung des Gemeinderats vom Bürgermeister auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten durch Handschlag zu verpflichten. Verweigert ein Gemeinderatsmitglied die Verpflichtung, so verliert es sein Amt."

OVG bejaht Pflicht zu Handschlag

Das OVG hat nun festgestellt, dass sich aus dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig und unmissverständlich die Pflicht des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin ergibt, die Verpflichtung des neu gewählten Stadtratsmitgliedes durch Handschlag zu bestätigen, und hat die anderslautende Entscheidung der ersten Instanz (BeckRS 2014, 59317) aufgehoben. Das Urteil, das mit Einverständnis aller Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, ist nicht rechtskräftig. Das OVG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen kann im Weg der Beschwerde vorgegangen werden.

Fraktionszusammenschluss von Mitgliedern verschiedener Parteien?

In einem weiteren Klageverfahren (Az.: 3 ZKO 46/16) war umstritten, ob Mitglieder verschiedener Parteien sich zu einer Fraktion im Gemeinderat zusammenschließen können, um unter anderem gemeinsame Wahlvorschläge für die Mitglieder der Ausschüsse einzubringen. Das Verwaltungsgericht hatte dies für zulässig gehalten.

OVG: Gleichgesinntheit mit anderen Ratsmitgliedern nicht an Parteimitgliedschaft gebunden

Das OVG hat den gegen das Urteil des VG gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Es verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach es Zweck der im Gemeinderat gebildeten Fraktionen sei, durch kollektive Vorbereitung der Willensbildung in Gruppen politisch Gleichgesinnter die Arbeit im Plenum zu straffen und zu konzentrieren. Über das Bestehen dieser nicht formal an eine Parteimitgliedschaft gebundenen Gleichgesinntheit mit anderen Ratsmitgliedern im Vorfeld einer Fraktionsbildung im Gemeinderat zu entscheiden, sei elementarer Kernbestand des von § 24 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung gesicherten freien Mandats. Dazu gehöre auch die freie Entscheidung eines jeden Stadtratsmitglieds darüber, in welcher Weise es meint, den ihm vom Wähler gegebenen Vertretungsauftrag verwirklichen zu können. Gerade auf kommunaler Ebene sei eine programmatische, parteigebundene politische Ausrichtung kein allein geeignetes Kriterium für den gemeinsamen Gestaltungswillen, der durch Fraktionsarbeit verwirklicht werde.

In Thüringen keine inhaltlichen Anforderungen an Bildung kommunaler Fraktionen

Der Einwand des Klägers, dass das VG zu Unrecht nicht überprüft habe, ob es einen Mindestbestand an politischer Übereinstimmung der Mitglieder der gebildeten Fraktion gebe, begründe keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des VG. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, die politische Überzeugung der einzelnen Mitglieder des Stadtrats zu ermitteln und in einem Vergleich gegenüberzustellen. Im Übrigen habe der Thüringer Gesetzgeber – anders als in anderen Bundesländern – darauf verzichtet, inhaltliche Anforderungen an die Bildung von Fraktionen auf kommunaler Ebene zu benennen. In § 25 Thüringer Kommunalordnung heiße es: "Gemeinderatsmitglieder können sich zu Fraktionen zusammenschließen." Der Beschluss ist unanfechtbar.

OVG Weimar, Urteil vom 03.05.2019 - 3 KO 620/18

Redaktion beck-aktuell, 13. Mai 2019.

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