Bei Lehrermangel reicht Unterricht im Rahmen des Möglichen aus

Bei Lehrermangel besteht kein Anspruch auf lehrplanmäßigen Unterricht. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht in Weimar hat am Montag in einem Eilrechtsstreit Beschwerden von neun Schülern und Schülerinnen zurückgewiesen. Anlass zu gerichtlichem Einschreiten sei erst dann gegeben, wenn es die Schulverwaltung in Fällen von Unterrichtsausfall unterlasse, zeitnah die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen des Möglichen zu ergreifen.

Recht auf Bildung verletzt?

Die Antragsteller und Antragstellerinnen besuchen die 8. Klasse des französisch-bilingualen Zweiges des staatlichen Perthes-Gymnasiums in Friedrichroda. Durch den Ausfall von Schulstunden wegen Lehrermangels sehen sie sich in ihrem durch das Grundgesetz und die Thüringer Verfassung geschützten Recht auf Bildung verletzt. Insbesondere befürchten sie, dass sie wegen des Stundenausfalls in den bilingual unterrichteten Fächern die Anforderungen für den Erwerb des Europäischen Exzellenzlabels "CertiLingua" verfehlen und wollen Nachteile für die besondere Leistungsfeststellung in der Klassenstufe zehn und die spätere Abiturprüfung abwenden.

Eilantrag blieb vor VG Weimar erfolglos

Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens begehrten sie deshalb, den Freistaat Thüringen zu verpflichten, den Unterricht nach dem ungekürzten Stundenplan (sogenannten Rahmenstundentafel) abzusichern. Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht Weimar lehnte den Eilantrag ab.

OVG: Zertifikat gehört nicht zu Bildungsgang des Gymnasiums

Die dagegen erhobene Beschwerde hat das OVG nun zurückgewiesen. Schüler und Schülerinnen hätten keinen Anspruch auf Unterricht entsprechend dem ungekürzten Stundenplan der 8. Klasse glaubhaft gemacht. Das Zertifikat CertiLingua gehöre nicht zum Bildungsgang des Gymnasiums im bilingualen Zweig und werde ausschließlich im außerschulischen Bereich vergeben. Der bilinguale Zweig stelle demgegenüber in Thüringen ein rechtlich anerkanntes Schulprofil mit dem Ziel der Begabtenförderung dar. Aber auch daraus folge kein Anspruch auf Erteilung unverkürzten Unterrichts.

Staat hat weitgehende Gestaltungsfreiheit

Der Staat komme seiner Verpflichtung aus dem verfassungsrechtlich abgesicherten Recht auf Bildung nach, wenn er das Schulwesen so plane und organisiere, dass allen jungen Bürgern gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten offen stehen. Bei der Festlegung der Schulorganisation, der Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände habe der Staat eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, die auch im Hinblick auf die personelle und sächliche Ausstattung immer unter dem Vorbehalt des Möglichen stehe und der elterlichen Bestimmung grundsätzlich entzogen sei. Eltern und Schüler könnten deshalb grundsätzlich keine bestimmte, ihren Wünschen entsprechende Gestaltung des Schulunterrichts verlangen.

Schule muss Maßnahmen im Rahmen des Möglichen treffen

Anlass zu gerichtlichem Einschreiten sei erst dann gegeben, wenn es die Schulverwaltung in Fällen von Unterrichtsausfall unterlasse, zeitnah die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen des Möglichen zu ergreifen. Aufgrund des Vortrags des Antragsgegners habe das OVG indes keinen Zweifel daran, dass die Schulverwaltung alle Anstrengungen unternehme, um den in den Rahmenstundentafeln vorgesehenen Unterricht so weit wie möglich abzudecken.

Erheblicher Lehrermangel ursächlich

Da eine Französischlehrerin an die Schule befristet abgeordnet sei, könne den Antragstellern und Antragstellerinnen zumindest für den Zeitraum der Abordnung der bilinguale Unterricht wieder erteilt werden. Es sei auch davon auszugehen, dass der in der Rahmenstundentafel vorgesehene Geographieunterricht im zweiten Schulhalbjahr 2022/23 abgedeckt werden könne. Der bemängelte Unterrichtsausfall sei im Wesentlichen auf einen in Thüringen (und auch bundesweit) bestehenden erheblichen Lehrermangel zurückzuführen, dem aber nur mittelfristig bis langfristig abgeholfen werden könne.

Versäumnisse in Vergangenheit führen zu keiner anderen Bewertung

Soweit der bestehende Lehrermangel auf Versäumnisse in der Vergangenheit zurückzuführen sei, ändere dies nichts daran, dass der Antragsgegner glaubhaft gemacht habe, dass die für die Einhaltung der Rahmenstundentafeln benötigten personellen Kapazitäten aktuell nicht vorhanden seien, so das OVG in seiner Begründung. Das zeige allenfalls dringlichen Handlungsbedarf seitens des Antragsgegners auf. Der Beschluss ist unanfechtbar.

OVG Weimar, Urteil vom 30.01.2023 - 4 EO 614/22

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2023.

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