OVG Weimar: Flüchtlingsstatus für Syrer nach Wehrdienstentziehung grundsätzlich möglich

Syrischen Flüchtlingen kann der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen sein, wenn sie sich dem Wehrdienst in ihrem Heimatland entzogen haben. Allerdings ist nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Thüringen in Weimar in diesen Fällen im Einzelnen zu überprüfen, ob von einer Wehrdienstentziehung tatsächlich ausgegangen werden kann. Dabei geht das OVG Weimar davon aus, dass dies bei minderjährig Ausgereisten und vom Wehrdienst in Syrien entbundenen Männern in der Regel nicht der Fall ist (Urteile vom 15.06.2018, Az.: 3 KO 162/18 und andere).

Flüchtlingsstatus wegen Wehrdienstentziehung?

In allen Verfahren war den Antragstellern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der subsidiäre Schutzstatus wegen der Bürgerkriegssituation in Syrien zuerkannt worden. Die Kläger begehrten vor dem Verwaltungsgericht den weitergehenden Flüchtlingsstatus, der vor allem wegen der damit verbundenen Möglichkeit von Familiennachzug und einer erweiterten Aufenthaltserlaubnis vorteilhaft ist. Die Klagen von wehrdienstfähigen Männern hatten beim VG Meiningen im Hinblick auf die im Fall der Rückkehr zu erwartende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung Erfolg. Hiergegen war das BAMF in die Berufung gegangen.

Illegale Ausreise und Asylantragstellung begründen keine Verfolgungsgefahr

Das OVG hat zunächst übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht entschieden, dass allein der Umstand der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung in Deutschland und des Auslandsaufenthalts bei einer hypothetisch anzunehmenden Rückkehr nach Syrien noch keine politische Verfolgung der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. Das OVG Weimar folgt damit den übereinstimmenden Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte.

Bei Wehrdienstentziehung politisch motivierte Verfolgung zu erwarten

Die Richter nehmen ebenso wie das VG an, dass Asylbewerber, die sich durch ihre illegale Ausreise dem Wehrdienst entzogen haben, nach der derzeitigen Erkenntnislage bei einer Rückkehr nicht nur lediglich mit einer Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung zu rechnen haben, sondern sie als vermeintliche Oppositionelle vom syrischen Regime angesehen werden und sie daher politisch motivierte Verfolgung zu erwarten haben.

Wehrdienstentziehung aber im Einzelfall immer genau zu prüfen

Allerdings sei in diesen Fällen im Einzelnen zu überprüfen, ob von einer Wehrdienstentziehung tatsächlich ausgegangen werden kann, was bei minderjährig Ausgereisten und vom Wehrdienst in Syrien entbundenen Männern in der Regel nicht der Fall sei. Insoweit folgt das OVG der Rechtsprechung einiger anderer Oberverwaltungsgerichte, während andere Obergerichte grundsätzlich den politischen Verfolgungscharakter in diesen Fällen nicht als erwiesen ansehen.

Flüchtlingsstatus aus Syrien geflohener staatenloser Palästinenser gegeben

In zwei weiteren Fällen hat das OVG ebenfalls am 15.06.2018 entschieden, dass staatenlose Palästinenser, die aus Syrien geflohen sind und dort in Flüchtlingslagern dem Schutz der UNRWA (United Nations Relief and Work Agency for Palestine Refugees in the Near East) unterstanden, in Deutschland ohne Weiteres den Flüchtlingsstatus erhalten können (3 KO 167/18 und andere).

OVG Weimar, Urteil vom 15.06.2018 - 3 KO 162/18

Redaktion beck-aktuell, 18. Juni 2018.

Mehr zum Thema