OVG Koblenz: Taufe begründet kein Verbot der Abschiebung nach Afghanistan

Für junge, gesunde Männer besteht bei einer Rückkehr in den Raum Kabul und in die Stadt Masar-e Sharif aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse in Afghanistan regelmäßig auch dann keine ein Abschiebungsverbot begründende Gefahr, wenn sie keine Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige erhalten. Auch allein der formale Akt der Taufe und die damit begründete Zugehörigkeit zur katholischen Kirche führen nicht zu einem Abschiebungsverbot, entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz (Urteil vom 22.01.2020, Az.: 13 A 11356/19.OVG, BeckRS 2020, 1740).

Verurteilter Afghane klagt gegen abgelehnten Asylantrag

Der Kläger ist ein junger Mann afghanischer Staatsangehörigkeit, der Ende 2015 nach Deutschland einreiste und nach einem Zwischenaufenthalt in Schweden einen Asylantrag stellte. Im November 2016 wurde er rechtskräftig wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Nach Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhob er Klage, die das Verwaltungsgericht abwies.

Klage trotz zwischenzeitlicher Taufe auch in zweiter Instanz erfolglos

In seiner Berufung machte der Kläger geltend, er sei zwischenzeitlich katholisch getauft worden und befürchte infolge seines Übertritts zum christlichen Glauben im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan erhebliche Gefahren für Leib und Leben. Das OVG wies die Berufung dennoch zurück. Für den Kläger bestehe kein Abschiebungsverbot. Ihm drohe keine der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) widersprechende Behandlung in Afghanistan aus religiösen Gründen, stellten die OVG-Richter fest.

OVG nicht überzeugt von ernstlicher Hinwendung zu christlichem Glauben

Zwar seien Personen, die sich vom Islam abgewandt hätten und zum Christentum konvertiert seien, in Afghanistan Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt, wenn ihre religiöse Überzeugung bekannt werde, so das OVG. Das Gericht konnte aber nicht davon überzeugt werden, dass beim Kläger eine ernstliche Hinwendung zum christlichen Glauben vorliegt, die die religiöse Betätigung für ihn auch in Afghanistan unverzichtbar machen würde, um seine religiöse Identität zu wahren. Es sei deshalb weder zu erwarten, dass er in Afghanistan den christlichen Glauben praktizieren würde, noch, dass er durch ein solches Absehen von religiöser Betätigung in innere Konflikte geriete, die nach der EMRK nicht zumutbar wären, so das OVG.

Innere Beweggründe für Konversion sind glaubhaft zu machen

Im Zusammenhang mit der Konversion zum Christentum stellte das OVG zudem klar, dass, wenn sich ein Schutzsuchender auf eine Gefährdung wegen Konversion zu einem anderen Glauben berufe, er die inneren Beweggründe glaubhaft machen müsse, die ihn zur Konversion veranlasst hätten. Im konkreten Fall bescheinigten die Richter dem Kläger, dass er sich mit den religiösen Grundlagen und der Praxis des katholischen Glaubens vertraut gemacht habe. Eine Hinwendung des Klägers zum Christentum, die seine religiöse Identität derart präge, dass für ihn die christlich-religiöse Betätigung unverzichtbar wäre, könne das Gericht aber nicht feststellen.

Konversion spiegelt sich nicht ausreichend in aktivem Handeln wider

Auch waren die Beweggründe für den Glaubenswechsel laut Gericht nicht ausreichend deutlich und plausibel geworden und es sei auch nicht erkennbar, dass der Kläger den Glauben in einer als für sich verbindlich empfundenen Weise praktiziere. So gehe er mit der von ihm begangenen Tat kaum mit der bei einem angestrebten christlichen Leben zu erwartenden – aktiven beziehungsweise tätigen – Reue und Umkehr um. Auch habe er selbst nicht aktiv auf die Entfernung seines Gebetsteppichs aus seiner Haftzelle hingewirkt und den Wechsel von der religiösen Austauschkost zur "Normalkost“ erst knapp ein Jahr nach der Taufe und zudem erst nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vollzogen.

Allein formaler Akt der Taufe führt nicht zu Abschiebungsverbot

Auch ansonsten zeigten die Äußerungen des Klägers gegenüber verschiedenen Institutionen im Laufe des Verfahrens des Öfteren eine auf den Adressaten gezielte Anpassung der Inhalte, so das OVG. Allein der formale Akt der Taufe und die damit begründete Zugehörigkeit zur katholischen Kirche führten nicht zu einem Abschiebungsverbot, stellten die Richter klar. Es fehle insoweit an Anhaltspunkten, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahren aufgrund des formalen Beitritts zur katholischen Kirche drohten, insbesondere, dass er in Afghanistan bekannt und zudem als ernsthaft angesehen werde.

Instabile Sicherheitslage und schwierige Versorgungslage noch zumutbar

Auch die schlechten allgemeinen Lebensverhältnisse in Afghanistan, insbesondere die instabile Sicherheitslage und die schwierige Versorgungslage, führten nicht zu einem Abschiebungsverbot, heißt es in der Entscheidung weiter. Der Grad willkürlicher Gewalt durch den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt erreiche kein so hohes Niveau, dass für jede dorthin zurückkehrende Zivilperson eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Kabul oder in Masar-e Sharif bestehe.

OVG-Rechtsprechung: Kein Abschiebungsverbot für junge gesunde Männer

Von dieser Lage einer jedenfalls nicht landesweit bestehenden Bedrohung gehe auch die sonstige obergerichtliche Rechtsprechung in Deutschland aus, so der erkennende OVG-Senat. Junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die – wie der Kläger – keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufwiesen, seien wegen der humanitären Verhältnisse bei einer Rückkehr in den Raum Kabul regelmäßig nicht von dem für die Feststellung eines Abschiebungsverbots erforderlichen hohen Schädigungsniveau bedroht.


OVG Koblenz, Urteil vom 22.01.2020 - 13 A 11356/19.OVG

Redaktion beck-aktuell, 4. März 2020.