Disziplinarverfahren wegen Weitergabe von Inhalten vertraulichen Gesprächs
Die Entscheidung erging im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin ist die als Beamtin auf Zeit tätige Bürgerbeauftragte für die Landespolizei, die dem Geschäftsbereich des Landtagspräsidenten zugeordnet ist. Dieser hatte Ende August 2020 ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet, weil sie Inhalte eines vertraulichen Vier-Augen-Gesprächs an eine dritte Person weitergegeben haben soll.
Antragstellerin hält Datenerhebung für rechtswidrig
Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Kiel gegen die Antragstellerin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen des Verdachts auf Verletzung von Privatgeheimnissen. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens macht die Antragstellerin geltend, dass die Erhebung der Daten aus verschiedenen "Whats-App-Chats" beziehungsweise beschlagnahmten Speichermedien und deren Weiterleitung an den Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages rechtswidrig gewesen sei. Hierüber hat das Landgericht Lübeck noch zu entscheiden.
Beschwerde teilweise erfolgreich
Der gegen den Landtagspräsidenten gerichtete Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte am Verwaltungsgericht zunächst keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dagegen gerichtete Beschwerde an das OVG war jetzt zum Teil erfolgreich.
Eingeschränkte Beteiligung des Ältestenrats
Art. 20 Abs. 4 der Landesverfassung sehe zwar vor, dass der Landtagspräsident seine Entscheidungen in bestimmten Fällen nur "im Benehmen" mit dem Ältestenrat trifft, erläutert das OVG. Doch gelte dies bei Entscheidungen gegenüber den ihm unterstellten Beamten – und damit auch gegenüber der Bürgerbeauftragten für die Landespolizei – nur dann, wenn es um die Ernennung, Entlassung oder Versetzung in den Ruhestand gehe. Eine solche Entscheidung stehe derzeit aber "nicht einmal ansatzweise an", so das OVG.
Landtagspräsident prüft zunächst allein
Vielmehr habe der Landtagspräsident im Rahmen des Disziplinarverfahrens zunächst selbst zu prüfen, ob es überhaupt zu einer disziplinarrechtlichen Entscheidung kommen solle und ob diese dann auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – und nicht auf eine weniger einschneidende Maßnahme – gerichtet sei. In allen anderen Fällen sehe die Verfassung lediglich eine "Unterstützung" durch den Ältestenrat vor. Auch dies gebiete gegenwärtig keine Weitergabe der streitigen Akten.
Ältestenrat erst am Ende in Entscheidungsprozess einzubinden
Selbst eine Entscheidung "im Benehmen" mit dem Ältestenrat verlange nur, diesem Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Danach sei der Ältestenrat erst am Ende des Verfahrens in den Entscheidungsprozess einzubinden, indem ihm nach Abschluss der Ermittlungen ein Entscheidungsentwurf vorgelegt werde. Für die weniger intensive Beteiligung in Form der "Unterstützung" könne nichts Anderes gelten, so das OVG.
Prüfungsumfang bei Unterstützung durch Ältestenrat
Sollte der Landtagspräsident zu dem Schluss kommen, dass gegen die Polizeibeauftragte eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme getroffen werden soll, genügt laut OVG auch dies im Übrigen noch nicht, um eine Weitergabe der Ermittlungsakten an den Ältestenrat zu rechtfertigen. Zuvor sei zu prüfen, ob es einer Unterstützung durch den Ältestenrat dann überhaupt bedürfe und gegebenenfalls, in welchem Umfang dieser auf die Kenntnis der Inhalte der Ermittlungsakten angewiesen sei, um die Unterstützungsaufgabe zu erfüllen.
Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen
In beiden Fällen seien des Weiteren die Belange der Beamtin, hier deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zu berücksichtigen. Insbesondere sei bereits vor einer Übermittlung der Akteninhalte an den Ältestenrat zu prüfen, ob die Datennutzung einem disziplinarrechtlichen Beweisverwertungsverbot unterliege, heißt es im Beschluss.
Auch keine Datenübermittlung im Rahmen eines "Tresorverfahrens"
Abschließend weist das OVG darauf hin, dass dies alles auch dann gelte, wenn der Landtagspräsident dem Ältestenrat die Daten im Rahmen eines sogenannten Tresorverfahrens – also unter Einhaltung strenger Vertraulichkeit – übermittele. Auch für diese Verfahrensweise bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, an der es derzeit fehle.