Er habe zwei Mitstudentinnen durch das "Aufsuchen von deren räumlicher Nähe nachgestellt", heißt es in den Unterlagen eines Gewaltschutzverfahrens gegen einen Kieler Medizinstudenten. Er hatte sich gehäuft so nahe an sie herangestellt, dass er Gespräche mithören konnte und sich mehrfach in Vorlesungen oder der Cafeteria in ihre Nähe gesetzt. Diese hätten daraufhin Umwege genommen, um ihm aus dem Weg zu gehen und letztlich ein ganzes Semester lang keine Vorlesungen mehr besucht. Die Universität zwangsexmatrikulierte den Studenten daraufhin zweimal wegen Verstoßes gegen das Landeshochschulgesetz – und ordnete jeweils den Sofortvollzug an.
Wegen formeller Fehler wurde der Sofortvollzug der ersten Exmatrikulation gerichtlich aufgehoben, nun wandte sich der Student per Beschwerde auch gegen den zweiten Bescheid. Das ließ das VG allerdings nicht gelten und erhielt die Exmatrikulation als "offensichtlich rechtmäßig" aufrecht. Zurecht, fand nun auch das OVG Schleswig nach einer summarischen Prüfung im Eilverfahren (Beschluss vom 31.07.2025 – 3 MB 12/25).
Doppelte Exmatrikulation schadet nicht
Laut dem Studenten sei die zweite Exmatrikulation schon deshalb rechtswidrig, da sie nur ein "ununterbrochener Folgebescheid" der wenige Monate zuvor erfolgten Exmatrikulation gewesen sei. Das VG Schleswig hatte die erste Exmatrikulation vom Januar 2025 wegen formeller Mängel außer Vollzug gesetzt – jedenfalls bis zur endgültigen Entscheidung der Hauptsache.
Zwei Tage nach der Entscheidung im April 2025 exmatrikulierte die Universität erneut - diesmal formell rechtmäßig, da der Bescheid nicht nur im Namen der Universitätskanzlerin, sondern des gesamten Präsidiums ergangen war. Diese zweite Exmatrikulation kranke nicht an der formellen Rechtswidrigkeit der ersten, wie der Senat nun entschied. Sie sei ein neuer Verwaltungsakt mit eigenem Inhalt, der den Studenten "wenigstens ab diesem Zeitpunkt" sofort vollziehbar exmatrikulieren sollte. Das Vorbringen des Studenten sei in dieser Hinsicht allerdings ohnehin verfristet gewesen.
Student konnte Vorwürfe nicht ausräumen
Die Universität stützte die Exmatrikulation auf § 42 des schleswig-holsteinischen Hochschulgesetzes (HSG). Die Vorschrift erlaubt die Entlassung von Studierenden unter anderem dann, wenn sie im Bereich der Hochschule anderen im Sinne des StGB nachstellen oder sie daran hindern, ihre "Rechte und Pflichten" auszuüben.
Schon den Vorwurf der Nachstellung habe der Student – bezogen auf den Prüfungsmaßstab des einstweiligen Rechtsschutzes – nicht hinreichend ausräumen können. Dabei hatte er behauptet, die Studentinnen hätten stattdessen per WhatsApp Interesse an ihm gezeigt. Man habe ihn davon überzeugen wollen, sich von seinen "moralisch-sittlichen Normen" zu entfernen und unverbindlichere Formen der Sexualität zuzulassen. Eine der beiden habe Interesse an seinem kulturellen Hintergrund gezeigt, um dann jedoch seine Moralvorstellungen in Frage zu stellen und mit fremdenfeindlichen Anwürfen zu verbinden. Dadurch seien die Studentinnen insgesamt unglaubwürdig – insbesondere im Bezug auf den vermeintlichen sexuellen Übergriff, den das Gericht jedoch dem Hauptsacheverfahren überließ.
Das OVG empfand diese Behauptungen als nebensächlich. Entscheidend sei, dass er mehrfach räumliche Nähe gesucht habe und damit faktisch die Lebensgestaltung der Studentinnen beeinträchtigt habe. Das Argument, er sei als Student nun einmal befugt in der Cafeteria oder in Lehrveranstaltungen Platz zu nehmen, greife hier ebenso nicht durch. Niemand stelle diese Rechte grundsätzlich in Abrede, die Tatsachen würden weiterhin überwiegend wahrscheinlich dafür sprechen, dass ein Sofortvollzug der Exmatrikulation angebracht gewesen sei. Auch ein Foto, das beweisen sollte, dass der Student stets so Platz genommen hatte, um die Vorlesung am besten verfolgen zu können, ließ der Senat nicht gelten; dabei handele es sich lediglich um eine "Momentaufnahme" ohne Beweiswert.
Das OVG stellte klar, unter welchem Maßstab der Student die Vorwürfe hier mit seiner Beschwerde hätte anfechten müssen: Es genüge nicht, lediglich die Tatsachen wiederholt in Abrede zu stellen. Er müsse vielmehr die Fehler der Beweiswürdigung nachvollziehbar aufzeigen. Stattdessen habe er nur punktuell und kleinteilig seine eigene Sicht der Dinge geschildert bzw. die Tatsachengrundlagen aus dem vorgehenden Gewaltschutzverfahren pauschal für falsch erklärt. Selbst seine eidesstattliche Versicherung, sich sozialadäquat verhalten zu haben, ließ das Gericht vor diesem Hintergrund nicht genügen.
Anhand der Unterlagen könne das Gericht von wiederholten Vergehen ausgehen, dabei mindestens von einem zweifachen Nachstellen. Auch bezüglich des zweiten Vorwurfs habe sich der Student nicht entlasten können. Er habe lediglich behauptet, die Lebensgestaltung der Studentinnen sei nicht wie behauptet beeinträchtigt gewesen. Der Senat stellte indes klar, dass das Gesetz keine faktische Beeinträchtigung fordere – es genüge, wenn die Handlungen bloß geeignet seien, andere einzuschränken.
Universitätsklinikum ist "Bereich der Hochschule"
Daran, dass das Nachstellen vor allem im Universitätsklinikum – und damit nicht wortwörtlich "im Bereich der Hochschule" – stattgefunden hatte, nahm das OVG keinen Anstoß. Das Gesetz meine mit der Formulierung gerade nicht nur den "Kern"-Campus der Universität, sondern in räumlicher Hinsicht auch angegliederte Einrichtungen. Zwar seien Universität und Universitätsklinikum wirtschaftlich getrennt, die enge Zusammenarbeit mit der universitären Lehre und Forschung würden aber genügen, um hier einen ausreichenden Bezug herzustellen. Gleiches gelte für Nachstellungen, die auf dem Weg von oder zu Lehrveranstaltungen oder Prüfungen stattgefunden hätten.
Zuletzt brachte das Gericht an, dass die sofortige Vollziehung der Exmatrikulation den Studenten auch nicht unverhältnismäßig hart treffe. So habe er nicht etwa kurz vor einem Abschluss gestanden, sondern ausweislich seiner erbrachten Leistungen noch etwa 2 Jahre Studium vor sich gehabt.
Im Ergebnis habe die Universität seine sofort vollziehbare Exmatrikulation "offensichtlich rechtmäßig" auf ein Nachstellen bzw. eine Einschränkung gemäß § 42 HSG gestützt. Ob es zudem auch zu einer sexuellen Belästigung gekommen sei, könne bis zum Hauptsacheverfahren offen bleiben.