Corona-Gaststättenschließungen im zweiten Lockdown zeitweise unwirksam

Das Oberverwaltungsgericht Saarlouis hat die in einer von Anfang bis Mitte November 2020, der Anfangsphase des zweiten Lockdowns, geltenden Vorschrift der damaligen saarländischen Corona-Verordnung angeordnete Betriebsschließung von Gaststätten für unwirksam erachtet und damit einem Normenkontrollantrag eines Restaurantbetreibers stattgegeben. Die Regelung habe nicht auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht. Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

OVG: Übergangszeit mit erlaubtem Rückgriff auf Generalklauseln war abgelaufen

Denn die auf der Grundlage des früheren Infektionsschutzgesetzes des Bundes angeordnete Betriebsuntersagung für die Gastronomie hat laut OVG in dem hier maßgeblichen Zeitraum nicht (mehr) den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt. Danach müssten Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigten, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Die Übergangszeit, in der aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls ein Rückgriff der Verwaltung auf Generalklauseln möglich sei, sei jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt Oktober/November 2020 bereits abgelaufen gewesen. Dem Gesetzgeber wäre es möglich gewesen, jedenfalls bis zur parlamentarischen Sommerpause oder spätestens unmittelbar danach die erforderliche spezielle parlamentsgesetzliche Grundlage für die pandemiebedingten Betriebsschließungen für Gastronomieunternehmen zu erlassen.

Eingriffsschwere verpflichtete Gesetzgeber zu zügigem Tätigwerden

In Anbetracht der Eingriffstiefe und -breite habe eine Pflicht zum Tätigwerden des parlamentarischen Gesetzgebers bereits in den auf die ersten, im März und April 2020 ergriffenen Maßnahmen folgenden Wochen bis zur parlamentarischen Sommerpause, spätestens aber unmittelbar danach bestanden. Das Infektionsschutzgesetz sei aber vom Bundesgesetzgeber erst Mitte November 2020, also nach dem Inkrafttreten der hier streitigen Verordnung, mit den entsprechenden weitreichenden Rechtsfolgen ausgestattet worden. Die angegriffene Verordnungsregelung vom 30.10.2020 habe daher in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis Mitte November 2020 gemessen an den Anforderungen des Wesentlichkeitsprinzips beziehungsweise des sich daraus ergebenden Parlamentsvorbehalts nicht mehr auf einer den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Ermächtigungsgrundlage beruht.

OVG Saarlouis, Urteil vom 31.05.2022 - 2 C 319/20

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2022.