Eines der Kriterien des BVerfG, mit dem die Amtsangemessenheit der Beamtenbesoldung überprüft werden kann, ist das sogenannte Mindestabstandsgebot. Danach muss bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitssuchenden sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten geschuldet ist, hinreichend deutlich werden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird der Mindestabstand nicht eingehalten, wenn die Nettoalimentation eines Beamten um weniger als 15% über dem Grundsicherungsniveau liegt.
Im Fall eines Vermessungshauptsekretärs ist das OVG Rheinland-Pfalz, wie schon das VG Koblenz zuvor in einem anderen Fall, zur Überzeugung gelangt, dass das Mindestabstandsgebot in der Besoldungsgruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 in Rheinland-Pfalz nicht eingehalten wurde (Beschluss vom 25.09.2024 – 2 A 11745/17.OVG).
Falscher Bemessungsmaßstab
Ausgangspunkt für die Bestimmung des hierbei maßgeblichen maßgeblichen Nettoalimentationsniveaus sei die aus der bisherigen Praxis abgeleitete Bezugsgröße der Alleinverdienerfamilie mit zwei minderjährigen Kindern. Nicht maßgeblich sei die Bezugsgröße einer Hinzuverdienerfamilie, zu der neben den Besoldungsbezügen noch eine geringfügige Beschäftigung des Partners oder der Partnerin hinzukäme – wovon das Land Rheinland-Pfalz jedoch ausgegangen war.
Für die Jahre 2012 bis 2014 sei davon auszugehen, dass der Landesbesoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen habe, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie unterhalten werden könne. Ausgehend hiervon sei das Mindestabstandsgebot in der zur Prüfung stehenden Besoldungsgruppe A 8 für das Gericht deutlich verletzt worden. Das Grundsicherungsniveau habe sich im Jahr 2012 auf 25.607,52 Euro belaufen. Die danach gebotene Mindestalimentation eines Beamten oder einer Beamtin betrage 29.448,65 Euro (115% von 25.607,52 Euro). Die Nettoalimentation in der Besoldungsgruppe A 8 habe jedoch lediglich 27.977,56 Euro ausgemacht und sei deshalb 1.471,09 Euro hinter der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation zurückgeblieben. Das entspreche einem relativen Fehlbetrag von rund 5%, so das OVG. Im Jahr 2013 sei der Fehlbetrag auf 1.843,76 Euro (rund 6,1%) und im Jahr 2014 auf 2.107,18 Euro (rund 6,9%) angestiegen. Dieser Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot in der zur Überprüfung gestellten Besoldungsgruppe selbst sei keiner Rechtfertigung zugänglich, so das OVG.
Die Verpflichtung der Länder zur Haushaltskonsolidierung könne eine Einschränkung des Grundsatzes auf angemessene Alimentation zwar grundsätzlich rechtfertigen. Bei Zurückbleiben der Besoldung "selbst hinter dem Mindestabstandgebot liege dies jedoch anders", betont das OVG. Das Grundsicherungsniveau dürfe als "Urmeter des Besoldungsrechts" nicht unterschritten werden. Eine die "drastische Unteralimentation" der Besoldungsgruppe möglicherweise rechtfertigende Ausnahmesituation (beispielsweise aufgrund einer Naturkatastrophe oder einer außergewöhnlichen Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt), habe auch nicht vorgelegen.
Das OVG kann die Verfassungswidrigkeit der Besoldungsregelungen nicht verbindlich feststellen, weshalb es das Berufungsverfahren ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt hat.