OVG Niedersachsen setzt mehrere Corona-Verordnungsregelungen außer Vollzug
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Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat heute mit drei Eilbeschlüssen verschiedene Verbotsregelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der derzeit geltenden Fassung vorläufig außer Vollzug gesetzt. Dies gilt für die strengen Kontaktbeschränkungen mit einer fixen Obergrenze von 5 Personen, das Schließen von Zoos und Tierparks und das Verbot von Einzelmusikunterricht.

Drei Regelungen der Corona-VO außer Vollzug

Der Senat ging unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens davon aus, dass die Corona-VO und die auf diese bezogenen Änderungsverordnungen auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruhen, formell rechtmäßig sind und hinsichtlich deren materieller Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Die einzelnen jetzt außer Vollzug gesetzten Verbotsregelungen seien aber keine notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen mehr oder verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Außervollzugsetzungen sind allgemeinverbindlich, das heißt die betroffenen Regelungen seien in Niedersachsen gegenwärtig nicht zu beachten. Die drei Beschlüsse sind unanfechtbar.

Kontaktbeschränkungen nicht mit fixer Obergrenze von 5 Personen

Im Verfahren 13 MN 132/21 hatte sich ein Antragsteller, der gemeinsam mit seiner Ehefrau und drei Kindern, die älter als 14 Jahre sind, in einem Haushalt lebt, gegen die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO geregelten Kontaktbeschränkungen gewandt und geltend gemacht, die dort bestimmte Obergrenze von fünf Personen für Zusammenkünfte schließe es vollständig aus, im Haushaltsverbund weitere Personen zu treffen. Der 13. Senat ist dem gefolgt und hat die Vorschrift vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit danach Zusammenkünfte nur mit höchstens fünf Personen zulässig sind. 

Große Haushalte nicht angemessen berücksichtigt

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass die fixe Obergrenze von fünf Personen, wenn diese 15 Jahre oder älter sind, unangemessen sei. Zum einen berücksichtige sie überhaupt nicht solche Haushalte, in denen bereits mehr als fünf Personen lebten. Zum anderen schließe sie Haushalte mit fünf Personen, von denen alle 15 Jahre oder älter sind, von jedweden gemeinsamen sozialen Kontakten zu Dritten aus. Dies berücksichtige tatsächlich bestehende familiäre und soziale Strukturen nicht hinreichend. Es sei auch lebensfremd und unter infektiologischen Gesichtspunkten nicht mehr sachangemessen, von einzelnen Personen dieses Haushalts zu verlangen, den Haushalt vorübergehend zu verlassen, um den Kontakt zu Dritten zu ermöglichen. 

Widerspruch zu Regelung in Hochinzidenzgebieten

Die Verordnung sei insoweit auch widersprüchlich. Denn in Hochinzidenzkommunen mit einer länger andauernden 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100 gelte die zuvor bis zum 06.03.2021 angeordnete Kontaktbeschränkung fort. Letztere sehe aber keine fixe Obergrenze für Zusammenkünfte vor, sondern gestatte stets den Kontakt zu mindestens einer haushaltsfremden Person. In Hochinzidenzkommunen, in denen gerade eine besonders hohe Infektionsgefahr bestünde, dürfe sich danach ein Haushalt von fünf Personen also weiterhin mit einer haushaltsfremden Person treffen. Von der Außervollzugsetzung unberührt bleibt die weiterhin zu beachtende Vorgabe des § 2 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO, dass sich nur Personen aus insgesamt höchstens zwei Haushalten treffen dürfen.

Keine Schließung von Zoos und Tierparks bei Hochinzidenz

Im Verfahren 13 MN 114/21 hatte sich der Inhaber eines Tier- und Freizeitparks gegen die Schließung von Zoos und Tierparks in Hochinzidenzkommunen nach § 18a Abs. 3 Corona-VO und gegen die landesweite Schließung von Freizeitparks nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Corona-VO gewandt. Gegenwärtig dürfen Zoos und Tierparks in Kommunen, in denen keine Hochinzidenz herrscht, öffnen, während Freizeitparks nach wie vor geschlossen sind. Der 13. Senat hat die fortwährende Schließung von Zoos und Tierparks in Hochinzidenzkommunen vorläufig außer Vollzug gesetzt. Dies sei als Infektionsschutzmaßnahme nicht mehr erforderlich und auch nicht mehr angemessen. Das Infektionsrisiko bei Aufenthalten im Freien sei von vorneherein vergleichsweise gering und könne durch mildere Maßnahmen als eine Schließung hinreichend effektiv reduziert werden.

Freizeitparks bleiben geschlossen

Den weitergehenden Antrag auf Außervollzugsetzung der landesweiten Schließung von Freizeitparks hat der Senat abgelehnt. Auch insoweit bestünden zwar Zweifel an der Erforderlichkeit und Angemessenheit der fortdauernden Schließung. Es sei aber nicht hinreichend klar, ob den infektionsrelevanten Besonderheiten eines Freizeitparks (Warteschlangen vor und unvermeidbare Personenkontakte in einzelnen Fahrgeschäften) in gleicher Weise effektiv wie in Zoos und Tierparks durch Hygienekonzepte Rechnung getragen werden könne. Deswegen sei zur Vermeidung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 und COVID-19 die fortdauernde Schließung noch hinzunehmen. Der Antragsgegner habe aber verstärkt Möglichkeiten der Öffnung mit geeigneten und normativ zu prägenden Hygienekonzepten in den Blick zu nehmen.

Einzelmusikunterricht wieder gestattet

Im Verfahren 13 MN 118/21 begehrte eine Musiklehrerin die Außervollzugsetzung des § 14a Corona-VO, soweit dieser Einzelmusikunterricht untersage. Der 13. Senat hat auch diesem Antrag entsprochen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seine vorausgegangene Entscheidung zur Außervollzugsetzung der Hundetrainings von Hundeschulen herangezogen und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz angenommen. Zwischen dem untersagten Einzelmusikunterricht und den erlaubten Kontakten im privaten Bereich bestünden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Sie bestünden weder hinsichtlich einer vom Antragsgegner befürchteten Unterschreitung des Mindestabstandes zwischen Lehrkraft und Einzelschüler noch bezüglich einer seriellen Kontakthäufung der Lehrkraft.

Redaktion beck-aktuell, 19. März 2021.