Friseure bleiben in Niedersachsen bis März weiter zu

Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Lüneburg hat den Antrag der Inhaber eines Friseurbetriebs abgelehnt, die in der aktuellen Corona-Verordnung des Landes weiterhin ausgesprochene Schließung von Friseurbetrieben einstweilig außer Vollzug zu setzen. Der besonderen Bedeutung der Friseursalons für die Bevölkerung werde dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass deren Öffnung zum 01.03.2021 unabhängig vom Erreichen eines Inzidenzwerts vorgesehen sei.

Verweis auf fehlende Infektionsgefahr

Die Antragsteller, Betreiber eines Friseursalons im Landkreis Cloppenburg, hatten sich für die Außervollzugsetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung stark gemacht. Sie hatten unter anderem geltend gemacht, dass in Friseurbetrieben keine Infektionsgefahr bestehe und sich auf die besondere Bedeutung von Friseurbetrieben für die Bevölkerung und die Ungleichbehandlung gegenüber Optikern und Hörgeräteakustikern berufen.

Antrag nach Folgenabwägung abgelehnt

Das OVG hat den Antrag nach einer Folgenabwägung abgelehnt. Für den Senat sei derzeit offen, ob § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Corona-VO in einem Hauptsacheverfahren für rechtmäßig oder für unwirksam zu erklären sei. Er gehe zwar davon aus, dass die grundsätzliche Anknüpfung der Maßnahmen an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Infektionsgeschehens als legitimes Ziel anzusehen sei. Im Hinblick auf künftige Verfahren wies das OVG allerdings darauf hin, dass die Anknüpfung von Öffnungsschritten an eine Sieben-Tage-Inzidenz von höchstens 35, wie es der rechtlich unverbindliche Beschluss der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten vom 10.02.2021 vorsieht, weder mit der Regelung des § 28a Abs. 3 IfSG übereinstimme noch der tatsächlichen Fähigkeit der Gesundheitsämter zur Kontaktverfolgung entspreche.

Zweifel an Erforderlichkeit der Betriebsschließungen 

Im vorliegenden Fall bestünden aber Zweifel an der Effektivität und damit an der Erforderlichkeit der Betriebsschließungen, da die aus Infektionsschutzgründen deutlich gefährlichere Frisiertätigkeit in den Wohnungen der Kunden durch die Niedersächsische Corona-Verordnung nicht untersagt worden sei, so das OVG weiter. Des weiteren stellte das Gericht fest, dass es keinen Nachweis dafür gebe, dass das Weitertragen von Infektionen in einem Friseurbetrieb ausgeschlossen sei. Auch verhindere die flächendeckende Schließung der Friseurbetriebe einen "Frisiertourismus".

Angemessenheit der Betriebsverbote nicht abschließend geklärt

Laut OVG konnte im vorliegenden Eilverfahren auch nicht abschließend geklärt werden, ob die einschneidenden Betriebsverbote im Hinblick auf die immer gewichtiger werdenden Nachteile für die betroffenen Betriebsinhaber und deren Beschäftigte sowie die gesamte Volkswirtschaft auf der einen Seite und die Gefährdung der zwar hochwertigen, aber verfassungsrechtlich nicht absolut geschützten Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auf der anderen Seite noch angemessen seien. Der besonderen Bedeutung der Friseurbetriebe für die Bevölkerung habe der Verordnungsgeber hingegen dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass deren Öffnung zum 01.03.2021 unabhängig von der Erreichung eines Inzidenzwertes vorgesehen sei.

Kein Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitsgrundsatz

Verneint hat das OVG einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Eine weitergehende Gleichstellung mit medizinischen Dienstleistungen dränge sich nicht auf. Die Ungleichbehandlung der Friseure gegenüber Optikern und Hörgeräteakustikern sei gerechtfertigt, da ein Ausgleich von Hör- oder Sehschwächen – anders als ein Friseurbesuch – essentiell für die Bewältigung des Alltags sei. 

Folgenabwägung

Insgesamt überwiegt laut Gericht bei einer Folgenabwägung derzeit noch das Interesse an der Vermeidung von Infektions-, Erkrankungs- und Todesfällen, zumal, so das OVG, finanzielle Ausgleichsleistungen in Aussicht stünden, die Antragsteller ihre Tätigkeit durch Aufsuchen ihrer Kunden fortsetzen dürften und ein fester Öffnungstermin feststehe.

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2021.