Studiengang fluchtbedingt gewechselt: Syrer erhält BAföG

Ein Flüchtling aus Syrien, der in seinem Heimatland acht Semester lang islamische Rechtswissenschaften studiert und nach seiner Einreise nach Deutschland ein Studium der "Sozialen Arbeit" aufgenommen hat, hat Anspruch auf eine Ausbildungsförderung (BAföG). Das hat das OVG Münster entschieden.

2011 hatte der Syrer in Damaskus begonnen, Jura zu studieren. 2015 verließ er Syrien wegen des Bürgerkriegs, ohne sein Studium beendet zu haben. In Deutschland nahm er – als Flüchtling anerkannt – 2018 das Studium der "Sozialen Arbeit" in Münster auf.

Den Antrag des Geflüchteten auf BAföG lehnte das Studierendenwerk wegen seines nicht abgeschlossenen Studiums in Syrien ab. Er müsse sich an seiner im Heimatland getroffenen Ausbildungswahl festhalten lassen, da ein rechtswissenschaftliches Studium auch in Deutschland angeboten werde. Für den Fachrichtungswechsel bestehe kein unabweisbarer Grund.

Fachrichtungswechsel notwendig

Der Syrer klagte – und bekam in zweiter Instanz Recht. Anders als die Vorinstanz bejahte das Oberverwaltungsgericht Münster einen Anspruch auf BaföG  (Urt. v. 25.09.2023 – 12 A 1659/21). Das nicht zum Abschluss gebrachte Jurastudium in Syrien sei förderungsrechtlich als Erstausbildung des Syrers zu werten. Mit dem Studium der Sozialen Arbeit in Deutschland habe der Mann einen Fachrichtungswechsel vollzogen. Dieser beruhe auf einem für die Förderfähigkeit der anderen Ausbildung notwendigen, unabweisbaren Grund (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG).

Denn der Syrer habe nicht zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung wählen können. Von einer "Fortsetzung der bisherigen Ausbildung" könne nur die Rede sein, wenn die fortgeführte Ausbildung derselben Fachrichtung zuzuordnen wäre wie die bisher/vormals betriebene Ausbildung. Das sei hier nicht der Fall, so das OVG.

Ausbildungsinhalte gegensätzlich

So falle ein Jurastudium an einer deutschen Universität in eine andere Fachrichtung als die rechtswissenschaftliche Ausbildung in Syrien. Die Rechtssysteme und -ordnungen beider Länder seien gegensätzlich. Dies bilde sich auch in den jeweiligen rechtswissenschaftlichen Studiengängen ab. Allein daraus, dass diese abstrakt dem gleichen Wissenschaftsgebiet zuzuordnen sind und eine gleiche (oder ähnliche) Bezeichnung tragen, folge nicht, dass ein in Syrien betriebenes Studium der Rechtswissenschaften in Deutschland "fortgeführt" werden könnte. Die bereits in Syrien erbrachten Studienleistungen könnten in Deutschland nicht anerkannt werden.

Der Syrer müsse sich als anerkannter Flüchtling auch nicht darauf verweisen lassen, das in seinem Heimatland aufgenommene Studium der islamischen Rechtswissenschaften dort zum Abschluss zu bringen, so das OVG. Es hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

OVG Münster, Urteil vom 25.09.2023 - 12 A 1659/21

Redaktion beck-aktuell, gk, 11. Oktober 2023.