Land kann Vernehmung gefährdeter Vertrauensperson in Strafprozess verhindern

Ist es im Sinn der Bekämpfung von Schwerkriminalität und zur Sicherung des Lebens einer Vertrauensperson angezeigt, deren Identität geheim zu halten, kann ihre Vernehmung durch eine Sperrerklärung verhindert werden. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat es mit zwei Eilbeschlüssen vom 23.07.2020 abgelehnt, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, der Vernehmung der Vertrauensperson "Nuri" in einem Strafprozess vor dem Landgericht Bielefeld zuzustimmen.

Sachverhalt

Vor dem Landgericht wird gegen zwei Angeklagte wegen der Tötung eines Mannes im Mai 2019 in Hiddenhausen-Eilshausen verhandelt. Auf die Bitte des Gerichts, Personalien und Anschrift der im Ermittlungsverfahren aufgetretenen Vertrauensperson "Nuri" mitzuteilen, damit diese im Verfahren vernommen werden kann, erließ das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen eine sogenannte Sperrerklärung. In dieser führte es aus, dass die Identität der Vertrauensperson geheim gehalten werden müsse, da ansonsten erhebliche Gefahren für Leben und Freiheit der Vertrauensperson und für eine effektive Bekämpfung der Schwerkriminalität entstünden. Daraufhin wandten sich einer der Angeklagten sowie ein Nebenkläger mit Eilanträgen an das Verwaltungsgericht Düsseldorf und begehrten, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, der Vernehmung der Vertrauensperson zuzustimmen, gegebenenfalls unter bestimmten Schutzmaßnahmen. Diese Anträge hat das Verwaltungsgericht abgelehnt; die hiergegen erhobenen Beschwerden hatten keinen Erfolg. 

Gefahr der Offenbarung der Identität zu groß

Zur Begründung führt das OVG aus, es erscheine nach den Darlegungen des Antragsgegners vor dem Hintergrund des erheblichen Tatvorwurfs sowie des Umfelds der Angeklagten gut nachvollziehbar, dass die Vertrauensperson bei Bekanntwerden ihrer Identität mit gewalttätigen Versuchen der Einflussnahme oder mit Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert wäre. Der Gefahr der Offenbarung der Identität der Vertrauensperson "Nuri" könne auch nicht ausreichend durch eine audiovisuelle Vernehmung unter Ausschluss des Antragstellers und der Öffentlichkeit sowie Verfremdung von Bild und Ton begegnet werden. Die Sperrerklärung stelle insoweit in triftiger Weise unter anderem darauf ab, dass bereits aus der Beantwortung einer Mehrzahl von Fragen sowie deren Bewertung im Gesamtkontext Anhaltspunkte zur Erschließung der Identität der Vertrauensperson "Nuri" gewonnen werden könnten.

Interesse an Wahrheitsfindung muss zurückstehen

Angesichts der erheblichen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit und des hohen Ranges dieser Rechtsgüter sei es auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem Schutz der Vertrauensperson ein höheres Gewicht als den Interessen der Angeklagten und dem staatlichen Interesse an der objektiven Wahrheitsfindung eingeräumt habe.

OVG Münster, Beschluss vom 23.07.2020 - 5 B 869/20

Redaktion beck-aktuell, 24. Juli 2020.