Schutzberechtigte dürfen derzeit nicht nach Griechenland rücküberstellt werden

Asylanträge von in Griechenland anerkannten Schutzberechtigten dürfen derzeit grundsätzlich nicht als unzulässig abgelehnt werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster mit der Begründung entschieden, dass – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls – zumindest derzeit die ernsthafte Gefahr bestehe, dass die Schutzberechtigten im Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland ihre elementarsten Bedürfnisse für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können.

Asylanträge über Griechenland eingereister Flüchtlinge abgelehnt

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte die Asylanträge der Kläger, eines Eritreers und eines aus Syrien stammenden Palästinensers, als unzulässig abgelehnt, weil diese in Griechenland bereits internationalen Schutz erhalten hatten; gleichzeitig hatte es ihnen die Abschiebung dorthin angedroht. Die Verwaltungsgerichte wiesen die Klagen jeweils mit der Begründung ab, es lägen keine genügenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kläger in Griechenland trotz der dort für international Schutzberechtigte herrschenden schwierigen Verhältnisse in eine menschenunwürdige Situation geraten könnten.

OGV: Asylanträge dürfen nicht als unzulässig abgelehnt werden

Das OVG hat den Berufungen der Kläger stattgegeben. Die Asylanträge der Kläger dürften nicht als unzulässig abgelehnt werden, weil ihnen für den Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung drohe.

Klägern droht in Griechenland Situation extremer materieller Not

Die Kläger gerieten in Griechenland unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not, weil sie dort für einen längeren Zeitraum weder eine Unterkunft noch eine Arbeit fänden. Sie könnten nicht in Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber unterkommen. Andere Wohnungen oder Obdachlosenunterkünfte stünden nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Das führe dazu, dass derzeit bereits eine beträchtliche Zahl anerkannter Schutzberechtigter in Griechenland obdachlos sei.

Äußerst schwierige Arbeitsmarktsituation

Sozialleistungen durch den griechischen Staat bekämen die Kläger frühestens nach einem zweijährigen dauerhaften Aufenthalt in Griechenland, der durch inländische Steuererklärungen der beiden Vorjahre nachzuweisen sei. Angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktsituation und Wirtschaftslage fänden die Kläger im Fall ihrer Rückkehr auch keine Arbeit. Die Arbeitslosenquote liege in Griechenland derzeit bei knapp 20%.

Griechenland von Corona-Pandemie besonders betroffen

Die Corona-Pandemie habe erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftslage. Das Bruttoinlandsprodukt habe im Jahr 2020 den heftigsten Einbruch aller Staaten der Europäischen Union zu verzeichnen gehabt. Der Tourismus, der mehr als ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt beisteuere, sei im letzten Jahr um fast 80% zurückgegangen. Der Zugang der Kläger zum Arbeitsmarkt werde durch die mangelnde Beherrschung der griechischen Sprache und das Fehlen einer spezifischen beruflichen Qualifikation zusätzlich erschwert.

OVG Münster, Urteil vom 21.01.2021 - 11 A 1564/20

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2021.