Offshore-Windpark "Butendiek": Klage des NABU erfolglos

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat heute die Klage des Naturschutzbundes (NABU) abgewiesen, mit der das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn verpflichtet werden sollte, gegenüber der Betreiberin des Offshore-Windparks "Butendiek" Maßnahmen zur "Sanierung" eines Umweltschadens anzuordnen. Die Kläger hätten nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass durch das Projekt der Lebensraum für dort lebende Vögel bedroht sei.

Windpark im Vogelschutzgebiet

Der Windpark besteht aus 80 Windenergieanlagen und liegt 32,6 km westlich von Sylt innerhalb des im Jahr 2005 ausgewiesenen Europäischen Vogelschutzgebietes "Östliche Deutsche Bucht". Dieses gehört zum Frühjahrslebensraum für Stern- und Prachttaucher (Seetaucher) in der deutschen Nordsee. Bestandskräftig genehmigt wurde der Windpark "Butendiek" bereits im Jahr 2002 vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Die Errichtung erfolgte erst deutlich später zwischen April 2014 und August 2015 und kostete rund 1,3 Milliarden Euro. Schon mit Beginn der Errichtungsarbeiten beantragte der NABU beim BfN, wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden am Lebensraum der Seetaucher die erforderlichen "Sanierungsmaßnahmen" gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen. Dabei stützte er sich auf das Umweltschadensgesetz. Das BfN lehnte den Antrag ab.

OVG: Voraussetzung für Sanierungsmaßnahmen liegen nicht vor

Das Verwaltungsgericht Köln hatte die dagegen gerichtete Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass bereits der Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes nicht eröffnet sei. Das Gesetz fordere ein Verschulden des verantwortlichen Betreibers, das hier aber nicht feststellbar sei. Die dagegen eingelegte Berufung des NABU hatte nunmehr vor dem OVG ebenfalls keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen durch das BfN gegenüber der Betreiberin des Windparks lägen nicht vor.

Umweltschaden nicht glaubhaft gemacht

Insbesondere die Tatsachen, die der NABU zur Begründung seines Antrags vorgebracht habe, ließen den Eintritt eines Umweltschadens nicht glaubhaft erscheinen, so die OVG-Richter. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Beurteilung sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides aus dem Oktober 2015. Aus der Antragsbegründung des NABU bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ergebe sich nur in geringem Umfang eine hinreichend wahrscheinliche Tatsachen-/Datenbasis, nämlich ein (damals) glaubhaft erscheinender Verlust an Lebensraumfläche für die Seetaucher von 101 qkm. Zu erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Lebensraums der Seetaucher oder der beiden Seetaucherarten selbst, die erst einen Umweltschaden im Sinne des Umweltschadensgesetzes ergäben, enthalte die Antragsbegründung keine nachvollziehbaren Darlegungen.

Maßgeblicher Seetaucherlebensraum ist die Deutsche Nordsee

Der rechtlich überaus komplexe Begriff des Umweltschadens erfordere aber jedenfalls, dass Ausgangs- und Ist-Zustand vor und nach der vermeintlichen Schädigung ermittelt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für den günstigen Erhaltungszustand konkreter Lebensräume und Arten bewertet würden. Die für diese Bewertung erforderlichen Daten habe der NABU nicht mitgeteilt. Insbesondere habe er nichts dazu vorgetragen, welche Bedingungen ein einzelner Seetaucher im Frühjahrshabitat für einen günstigen Erhaltungszustand benötige. Vielmehr habe er sich darauf beschränkt, einen Umweltschaden mittels Rückgriffs auf jedenfalls in diesem Fall nicht einschlägige Vorschriften aus anderen Kontexten herzuleiten. Dabei habe er vor allem auf das Europäische Vogelschutzgebiet abgestellt. Dieses sei jedoch nicht der nach dem Umweltschadensgesetz maßgebliche Seetaucherlebensraum in der Deutschen Nordsee. Zur Beurteilung der Auswirkungen des Windparks auch auf die Seetaucher sei der Betreiberin ein großräumiges Monitoring auferlegt worden. Aus diesem hätten der Wissenschaft selbst mehrere Jahre nach Inbetriebnahme des Windparks "Butendiek" - mithin erst recht im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides - noch keine Daten vorgelegen, die eine abschließende Aussage zum Vorliegen eines Umweltschadens ermöglichten.

NABU wird Nichtzulassungsbeschwerde erheben

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger kritisierte die Entscheidung: "Das heutige Urteil setzt die Anwendung des Umweltschadensrechts im Sinne des Biodiversitätsschutzes außer Kraft: Es formuliert für den Nachweis eines Umweltschadens extrem hohe Anforderungen, die praktisch nicht erfüllbar sind. Hier ist der Maßstab verrutscht." Nach Auffassung der Münsteraner Richter sei die Definition eines Umweltschadens nicht erfüllt, wenn eine geschützte Art in einem für sie ausgewiesenen Schutzgebiet weiträumig Lebensraum verliere. Das führe die Anwendung europäischen Naturschutzrechts ad absurdum. Es stelle sich die Frage, ob hier nicht das Umweltschadensrecht unbrauchbar und die Verbandsklage unmöglich gemacht werden soll. Der NABU will gegen die Entscheidung mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgehen und versuchen, die Frage der Glaubhaftmachung eines Umweltschadens auch dem Europäischen Gerichtshof vorlegen zu lassen. 

NABU kritisiert Vorwurf fehlender Monitoringdaten

Aus NABU-Sicht besonders irritierend ist der Vorwurf, veraltete Daten am Beispiel des einzig verfügbaren Standard-Datenbogens des Vogelschutzgebiets aus dem Jahr 2004 und keine eigenen und aktuellen Monitoringdaten zur Verfügung gestellt zu haben. "Den Aufwand, ein schiffs- oder fluggestütztes Monitoring durchzuführen, können und müssen Behörden und Betreiber leisten. Das kann nicht Aufgabe eines Naturschutzverbandes sein. Doch eben diese Monitoringdaten muss der NABU seit Jahren in einem Parallelverfahren erstreiten. Viele Windparkbetreiber blockieren die Herausgabe mit Verweis auf Urheberrechte der Gutachter. Ganz offensichtlich hat das OVG Münster nach einem Weg gesucht, nicht über die komplexe Frage des Verschuldens und der Sanierung entscheiden zu müssen", kritisierte NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff.

OVG Münster, Urteil vom 11.03.2021 - 21 A 49/17

Redaktion beck-aktuell, 12. März 2021.