Kein Flüchtlingsstatus für irakische Jesiden

Jesiden aus dem Distrikt Sindjar im Irak haben keinen generellen Anspruch auf eine Flüchtlingsanerkennung, weil ihnen derzeit keine Verfolgung als Gruppe durch den Islamischen Staat (IS) mehr droht. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster in zwei Asylverfahren geklärt. Die Rechtsprechung der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte war in dieser Frage, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellt, bisher uneinheitlich.

VG Düsseldorf erkannte zwei Jesiden Flüchtlingsstatus zu

In den Asylverfahren geklagt hatten eine 19-jährige Jesidin aus dem Irak, die derzeit in Solingen lebt, und ein alleinstehender 23-jähriger Mann aus Mülheim. Das VG Düsseldorf hatte entschieden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihnen wegen einer Verfolgung der Gruppe der Jesiden im Sindjar (Provinz Ninive) durch den IS die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen muss. Dagegen richteten sich die vom OVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufungen des BAMF, die nun Erfolg hatten.

OVG: Keine Verfolgung mehr wegen Zugehörigkeit zu Gruppe der Jesiden 

Nach Ansicht des OVG ist eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit der Kläger zur Gruppe der Jesiden nicht anzunehmen. Sie seien zwar 2014 vor einer drohenden Verfolgung wegen ihrer Religion durch den IS aus ihrer Heimat geflohen. Derzeit sprächen aber stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung der Glaubensgemeinschaft der Jesiden im Sindjar durch den IS. So sei zwar der militärisch besiegte IS als terroristische Organisation weiterhin aktiv, aber nicht in einem Ausmaß, dass jedem Angehörigen der Gruppe der Jesiden im Sindjar aktuell die Gefahr von Verfolgungsmaßnahmen drohe.

Auch kein Anspruch auf subsidiären Schutzstatus

Individuelle Verfolgungsgründe hatten die Kläger laut OVG nicht geltend gemacht. Sie könnten auch nicht den subsidiären Schutzstatus beanspruchen. Das OVG hat insbesondere eine Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Distrikt Sindjar verneint. Die Sicherheitslage sei nicht so einzuschätzen, dass praktisch jede Zivilperson in dem Gebiet in Gefahr ist, Opfer eines Gewaltakts zu werden.

Nach Einzelfall zu entscheiden

Ob Jesiden aus dem Sindjar wegen sonstiger Gefahren nationalen Abschiebungsschutz beanspruchen können, lasse sich nicht generell, sondern nur anhand der Umstände in jedem Einzelfall beantworten, so das OVG weiter. Während das BAMF der 19-Jährigen bereits nationalen Abschiebungsschutz zugesprochen hatte, hat das OVG diesen dem 23-jährigen Kläger versagt. Die humanitäre Situation sei jedenfalls in der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak nicht menschenrechtswidrig, wo der 23-Jährige Schutz finden könnte. Ob dieser tatsächlich in den Irak abgeschoben wird, entscheidet laut OVG die örtliche Ausländerbehörde. Der Senat hat die Revision jeweils nicht zugelassen.

OVG Münster, Urteil vom 10.05.2021 - 9 A 1489/20.A

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2021.